Clockwork Princess: Chroniken der Schattenjäger (3) (German Edition)
er gelernt, wie man Pferde sattelte und aufzäumte; deshalb ließ er seinen Gedanken nun freien Lauf, während er die Steigbügel hochzog, den Sitz des Sattels auf beiden Seiten überprüfte und dann behutsam unter Balios hindurchgriff, um den Sattelgurt zu befestigen.
Er hatte für niemanden eine Nachricht hinterlassen. Jem würde den anderen Bescheid geben, denn Will hatte feststellen müssen, dass er jetzt – da er sie am dringendsten benötigte – einfach nicht die richtigen Worte fand. Er konnte noch immer nicht ganz begreifen, dass es möglicherweise ein Abschied für immer war, und deshalb ging er in Gedanken wieder und wieder die Dinge durch, die er in seine Satteltaschen gepackt hatte: Kampfmontur, ein sauberes Hemd und einen Stehkragen (für den Fall, dass er unterwegs irgendwann einmal wie ein Gentleman aussehen musste), zwei Stelen, alle Waffen, die er verstauen konnte, Brot, Käse, Trockenobst und irdisches Geld.
Als Will den Sattelgurt festschnallte, hob Balios den Kopf und wieherte. Ruckartig drehte Will den Kopf. In der Stalltür stand eine schlanke, weibliche Gestalt. Während Will in ihre Richtung starrte, hob sie die rechte Hand, woraufhin ihr Elbenlichtstein aufflammte und ihr Gesicht beleuchtete: Cecily.
Sie trug einen blauen Samtumhang und die langen Haare offen. Unter dem Saum des Umhangs schauten ihre nackten Füße hervor.
Will richtete sich auf. »Cecy, was tust du hier?«
Seine Schwester machte einen Schritt auf ihn zu, hielt dann inne und warf einen Blick auf ihre nackten Füße. »Dasselbe könnte ich dich fragen.«
»Ich rede gern nachts mit den Pferden; sie sind erstklassige Zuhörer. Aber du solltest nicht in deinem Nachtgewand hier draußen herumlaufen. Hier treiben sich gelegentlich Lightwoods herum.«
»Sehr witzig. Wohin brichst du auf, Will? Falls du nach weiterem Yin Fen suchen willst, nimm mich mit.«
»Ich habe nicht vor, nach weiterem Yin Fen zu suchen.«
Plötzlich dämmerte es Cecily. »Du nimmst Tessas Verfolgung auf. Du reitest nach Wales, zum Cadair Idris!«
Will nickte.
»Lass mich dich begleiten, Will. Nimm mich mit«, bat Cecily.
Will brachte es nicht über sich, sie anzusehen. Er drehte sich um, holte mit zitternden Händen Zaumzeug und Gebiss und wandte sich wieder Balios zu. »Ich kann dich nicht mitnehmen. Du bist nicht in der Lage, Xanthos zu reiten, dazu fehlt dir das Training. Und ein herkömmliches Pferd würde unser Vorankommen nur unnötig behindern.«
»Bei den Kutschpferden hat es sich um Automaten gehandelt. Du kannst nicht ernsthaft hoffen, sie einzuholen …«
»Davon gehe ich auch nicht aus. Balios mag zwar das schnellste Pferd in ganz England sein, aber auch er muss sich ausruhen und schlafen. Ich habe mich bereits damit abgefunden: Auf der Landstraße werde ich Tessa nicht mehr einholen. Ich kann nur hoffen, dass ich noch rechtzeitig am Cadair Idris eintreffe, bevor es zu spät ist.«
»Dann lass mich dir nachreiten. So brauchst du dich nicht darum zu sorgen, dass ich dein Tempo drosseln könnte …«
»Sei doch vernünftig, Cecy!«
»Vernünftig?«, brauste Cecily auf. »Ich sehe nur, dass mein Bruder mich schon wieder verlässt! Jahrelang, Will, jahrelang habe ich darauf gewartet, dass ich endlich nach London aufbrechen und dich suchen kann. Und jetzt, da wir wieder zusammen sind, machst du dich wieder davon!«
Das Pferd bewegte sich unruhig, als Will ihm die Gebissstange ins Maul schob und das Zaumzeug über seinen Kopf gleiten ließ. Balios mochte keine lauten Stimmen. Beruhigend strich Will ihm über den Hals.
»Will.« Cecily klang gefährlich. »Sieh mich an oder ich werde das gesamte Haus aufwecken und dich aufhalten, das schwöre ich!«
Resigniert lehnte Will den Kopf gegen Balios’ Hals und schloss die Augen. Er nahm den Geruch von Heu und Pferd wahr, von Schweiß und süßlichem Rauch, der noch vom Kaminfeuer in Jems Zimmer in seiner Kleidung hing. »Cecily«, setzte er an. »Ich muss die Gewissheit haben, dass du hier und damit in Sicherheit bist, sonst kann ich nicht aufbrechen. Ich kann mir nicht um Tessa Sorgen machen, meilenweit vor mir auf der Straße, und gleichzeitig um dich, meilenweit hinter mir, weil mich die Angst um euch sonst umbringt. Es schweben schon zu viele Menschen, die ich liebe, in Gefahr.«
Einen Moment lang herrschte Stille. Will konnte Balios’ Herzschlag unter seinem Ohr pulsieren hören, sonst aber nichts. Er fragte sich, ob Cecily wohl gegangen war, ob sie während seiner Antwort
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