Clockwork Princess: Chroniken der Schattenjäger (3) (German Edition)
Fenster, die Hände hinter dem Rücken verschränkt. Seine Haltung wirkte steif und unbehaglich. Henry sah bleich und erschöpft aus, Charlottes Gesicht war tränenüberströmt und Gideons Miene eine starre Maske.
Das Lachen erstarb Cecily auf den Lippen. »Was ist passiert? Habt ihr eine Nachricht erhalten? Ist Will …?«
»Es geht nicht um Will«, sagte Charlotte. »Es betrifft Jem.«
Mit einer Mischung aus Erleichterung und schlechtem Gewissen biss Cecily sich auf die Lippe und ihr Puls beruhigte sich wieder. Ihr erster Gedanke hatte ihrem Bruder gegolten, aber natürlich schwebte sein Parabatai in viel akuterer Gefahr. »Jem?«, brachte sie leise hervor.
»Er lebt noch«, beantwortete Henry ihre unausgesprochene Frage.
»Na ja, dann. Wir haben alles besorgt«, verkündete Gabriel und legte sämtliche Päckchen auf den Tisch. »Alles, was Magnus uns aufgeschrieben hatte – die Damiana-Blätter, die Wassernüsse …«
»Danke«, sagte Magnus vom Fenster aus, ohne sich jedoch umzudrehen.
»Ja, euch beiden vielen Dank«, pflichtete Charlotte ihm bei. »Ihr habt alles getan, worum ich euch gebeten habe, und dafür bin ich euch dankbar. Aber ich fürchte, eure Bemühungen waren vergebens.« Sie schaute auf die Päckchen und blickte dann wieder auf. Es war offensichtlich, dass die Worte sie große Mühe kosteten: »Jem hat eine Entscheidung getroffen. Er möchte, dass wir die Suche nach einem Heilmittel einstellen. Er hat den letzten Rest des Yin Fen eingenommen; seine Vorräte sind damit vollständig aufgebraucht. Jetzt ist es nur noch eine Frage von Stunden … Ich habe bereits nach den Brüdern der Stille geschickt. Es wird Zeit, sich zu verabschieden.«
Im Fechtsaal war es dunkel; nur etwas Mondlicht fiel durch die hohen Fenster herein und warf lange Schatten auf den Parkettboden. Cecily saß auf einer der abgenutzten Holzbänke und starrte auf das Muster, das der Mond auf die Dielen vor ihr malte.
Ihre rechte Hand spielte unruhig mit dem roten Anhänger an ihrer Kehle und sie musste unwillkürlich an ihren Bruder denken. Ihr Körper war hier im Institut, aber ihre Gedanken waren bei Will: auf dem Rücken seines Pferdes, tief gegen den Wind gebeugt, während er wie der Teufel über die Straßen ritt, die London von Dolgellau trennten. Cecily fragte sich, ob er Angst hatte. Und ob sie ihn wohl jemals wiedersehen würde.
Sie war so tief in Gedanken versunken, dass sie erschrocken zusammenzuckte, als die Tür quietschend aufschwang. Ein langer Schatten fiel auf den Boden, und als Cecily aufschaute, entdeckte sie Gabriel Lightwood, der sie überrascht anblinzelte.
»Sie verstecken sich hier, stimmt’s?«, fragte er. »Das ist…schade.«
»Wieso?«, hakte Cecily nach und wunderte sich über ihre eigene Stimme, die ganz normal, fast schon ruhig klang.
»Weil ich mich ebenfalls hier verstecken wollte.«
Cecily schwieg einen Moment. Gabriel machte einen verunsicherten Eindruck – eigentlich ungewöhnlich, da er sonst immer so selbstsicher wirkte. Auch wenn dieses Selbstvertrauen leichter zu erschüttern schien als das seines Bruders. In der Dunkelheit konnte Cecily die Farbe seiner Augen und Haare nicht ausmachen, aber dadurch sah sie zum ersten Mal die Ähnlichkeit zwischen Gabriel und Gideon: derselbe entschlossene Zug um den Mund, dieselben weit auseinanderliegenden Augen und dieselbe wachsame Haltung. »Wenn Sie wollen, können Sie sich hier mit mir zusammen verstecken«, schlug sie vor.
Gabriel nickte und durchquerte den Raum, setzte sich jedoch nicht neben Cecily, sondern ging zum Fenster und schaute hinaus. »Die Kutsche der Stillen Brüder ist da«, bemerkte er.
»Ja«, bestätigte Cecily. Sie wusste aus dem Codex, dass die Brüder der Stille die Ärzte und Priester der Schattenjäger waren und dass man sie nicht nur am Kindsbett, sondern auch am Krankenbett erwarten durfte – und natürlich am Sterbebett. »Ich habe überlegt, ob ich Jem noch einmal besuchen soll. Will zuliebe. Aber ich … bringe es einfach nicht fertig. Ich bin ein Feigling«, fügte sie nachdenklich hinzu – eine Aussage, die sie vorher nie über sich selbst getroffen hätte.
»Dann bin ich auch ein Feigling«, meinteGabriel. Der Mond beleuchtete nur eine Hälfte seines Gesichts, wodurch es so aussah, als würde er eine Halbmaske tragen. »Ich bin hier heraufgekommen, um allein zu sein … und um mich von den Stillen Brüder fernzuhalten, denn ehrlich gesagt, jagt mir ihr Anblick immer wieder einen Schauer über den
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