Clockwork Princess: Chroniken der Schattenjäger (3) (German Edition)
das leere Glas. »Charlotte?«
»Ja?«
»Hast du die Auseinandersetzung über den Namen eures Kindes schon gewonnen?«
Charlotte musste verwundert lachen. Es erschien ihr merkwürdig, jetzt über ihr Kind nachzudenken. Aber andererseits – warum auch nicht? Mitten im Tod sind wir vom Leben umfangen. Der Gedanke daran war eine willkommene Abwechslung von ihrer ständigen Sorge über Jems Zustand, Tessas Entführung und Wills gefährlicher Mission. »Nein, noch nicht«, räumte sie ein. »Henry besteht noch immer auf den Namen Buford.«
»Letztendlich wirst du gewinnen«, sagte Jem. »So wie immer. Du würdest eine hervorragende Konsulin abgeben, Charlotte.«
Charlotte rümpfte die Nase. »Als Frau auf dem Posten des Konsuls? Nach all dem Ärger, den ich mit der Leitung des Instituts schon habe?!«
»Irgendjemand muss eben immer die Erste sein«, entgegnete Jem. »Natürlich ist das nicht leicht und oft auch keine dankbare Aufgabe, aber es ist wichtig.« Nachdenklich senkte er den Kopf. »Du trägst eines der wenigen Dinge in dir, die ich bedauere.«
Verwirrt schaute Charlotte ihn an.
»Ich hätte das Baby wirklich gern gesehen.«
Obwohl es sich nur um einen schlichten, leicht wehmütigen Wunsch handelte, schnitt er Charlotte wie ein Stück Glas mitten durchs Herz. Tränen schossen ihr in die Augen und liefen still die Wangen hinab.
»Charlotte«, setzte Jem an, als wollte er sie trösten. »Du hast dich immer um mich gekümmert. Und du wirst dich genauso um das Baby kümmern. Ich bin mir sicher, du wirst ihm eine wundervolle Mutter sein.«
»Du darfst jetzt nicht aufgeben, Jem«, flehte Charlotte mit erstickter Stimme. »Als man dich zu mir gebracht hat, hieß es, du hättest nur noch ein oder zwei Jahre zu leben. Und inzwischen hast du die Prognose schon um fast vier Jahre übertroffen. Bitte bleib noch ein paar Tage länger am Leben. Nur noch ein paar Tage. Tu es mir zuliebe.«
Jem betrachtete sie nachdenklich, fast zärtlich. »Ich habe dir zuliebe gelebt … dann Will und schließlich auch Tessa zuliebe – und auch mir selbst zuliebe, denn ich wollte mit ihr zusammen sein. Aber ich kann nicht ewig anderen Leute zuliebe weiterleben. Niemand kann behaupten, dass der Tod in mir einen willigen Gefährten gefunden hat oder dass ich leichten Herzens aus dieser Welt scheide. Wenn du sagst, dass du mich brauchst, werde ich für dich da sein – solange wie es mir möglich ist. Ich werde für dich und deine Lieben leben und gegen den Tod ankämpfen, bis nichts mehr von mir übrig ist. Aber das wäre nicht das, was ich mir wünsche.«
»Aber …« Charlotte schaute ihn zögernd an. »Aber was würdest du dir denn wünschen?«
Jem schluckte und strich mit der Hand über seine Geige, die neben ihm stand. »Ich habe eine Entscheidung getroffen«, sagte er. »Ich habe sie getroffen, als ich Will aufgefordert habe, Tessa nachzureiten.« Einen Moment senkte er den Kopf, dann blickte er wieder auf und heftete seine blassen, umschatteten Augen auf Charlottes Gesicht, als versuchte er, es ihr begreiflich zu machen. »Ich möchte, dass die Suche eingestellt wird«, sagte er. »Ich weiß von Sophie und von dir, dass die anderen sich noch immer um ein Heilmittel bemühen. Und ich weiß auch, dass ich Will mein Einverständnis dazu gegeben habe. Aber ich möchte, dass ihr die Suche nicht weiter fortsetzt, Charlotte. Es ist vorbei.«
Die Abenddämmerung hatte bereits eingesetzt, als Cecily und Gabriel zum Institut zurückkehrten. Für Cecily war es ein völlig neuartiges Erlebnis gewesen, mit jemand anderes als Will oder Charlotte durch London zu streifen. Und sie hatte mit Erstaunen bemerkt, als welch angenehmer Begleiter Gabriel Lightwood sich entpuppte. Er hatte sie zum Lachen gebracht, auch wenn sie sich große Mühe gab, das vor ihm zu verbergen. Und er hatte liebenswürdigerweise sämtliche Päckchen getragen, obwohl sie fest damit gerechnet hatte, dass er sich dagegen wehren würde, wie ein geplagter Lakai behandelt zu werden.
Zugegeben, vermutlich hätte er diesen Nachtelben wirklich nicht durch die Schaufensterscheibe und anschließend in den Limehouse-Kanal werfen sollen. Aber sie konnte ihm das kaum zum Vorwurf machen. Denn sie wusste ganz genau: Gabriel hatte die Beherrschung nicht deshalb verloren, weil der Satyr ihr unschickliche Bilder gezeigt hatte, sondern weil er die Erinnerung an seinen Vater geweckt hatte.
Seltsam, wie wenig Gabriel seinem Bruder ähnelte, überlegte Cecily, während sie die
Weitere Kostenlose Bücher