Clockwork Princess: Chroniken der Schattenjäger (3) (German Edition)
Rücken. Ich dachte, ich könnte vielleicht eine Patience legen. Wenn Sie wollen, können wir aber auch gemeinsam Karten spielen.« »So wie Pip und Estella in Große Erwartungen«, sagte Cecily leicht amüsiert. »Nein, tut mir leid – ich kenne kein einziges Kartenspiel. Meine Mutter hat versucht, Karten und Ähnliches vom Haus fernzuhalten, weil mein Vater … eine besondere Schwäche dafür hatte.« Nachdenklich betrachtete sie Gabriel. »In mancher Hinsicht sind wir uns tatsächlich sehr ähnlich: Unsere Brüder sind beide fortgegangen, sodass wir ohne Geschwister allein zurückgeblieben sind, mit einem Vater, dessen Zustand sich von Tag zu Tag verschlechterte. Nach Ellas Tod und Wills Flucht war mein Vater eine Weile von allen guten Geistern verlassen. Er hat Jahre gebraucht, um sich von diesen Schlägen zu erholen – und in der Zwischenzeit haben wir unser Zuhause verloren. Genau wie Sie Lightwood House verloren haben.«
»Lightwood House hat man uns weggenommen«, erwiderte Gabriel mit einem plötzlichen Anflug von Bitterkeit. »Aber um ehrlich zu sein, bin ich darüber nicht nur traurig: Meine Erinnerungen an diesen Ort …« Er schauderte. »Mein Vater hatte sich zwei Wochen lang in seinem Arbeitszimmer eingeschlossen. Ich hätte viel eher herkommen und um Hilfe bitten sollen, aber ich war zu stolz. Ich wollte mir und Gideon gegenüber nicht eingestehen müssen, dass ich mich in unserem Vater geirrt hatte. In diesen zwei Wochen habe ich kaum ein Auge zugemacht. Wieder und wieder habe ich gegen die Tür gehämmert und meinen Vater angefleht, endlich herauszukommen oder mit mir zu reden, aber aus dem Raum hörte ich nur unmenschliche Geräusche. Daraufhin habe ich nachts meine Tür verriegelt … und am nächsten Morgen Blut auf der Treppe gefunden. Ich habe mir einzureden versucht, die Dienstboten seien bestimmt geflohen, doch im Grunde wusste ich es besser. Und um auf Ihre Bemerkung zurückzukommen: Nein, Cecily, wir sind uns nicht sehr ähnlich, denn Sie sind freiwillig gegangen. Sie waren mutig. Ich bin dagegen geblieben, bis ich keine andere Wahl mehr hatte. Ich bin geblieben, obwohl ich wusste, dass das falsch war.«
»Sie sind ein Lightwood«, widersprach Cecily. »Sie sind aus Loyalität zu Ihrer Familie geblieben. Das kann man nicht als Feigheit bezeichnen.«
»Wirklich nicht? Ist Loyalität auch dann noch eine lobenswerte Eigenschaft, wenn sie unangebracht ist?«
Cecily öffnete den Mund, schloss ihn dann aber wieder. Gabriel musterte sie eindringlich; seine Augen funkelten im Mondlicht. Er schien fast verzweifelt auf ihre Antwort zu warten und sie fragte sich, ob er sonst überhaupt irgendjemanden zum Reden hatte. Denn sie konnte sich gut vorstellen, dass er sich mit seinen moralischen Bedenken ungern an seinen Bruder wandte. Gideon wirkte so unerschütterlich, als hätte er sich in seinem ganzen Leben kein einziges Mal hinterfragt und als könnte er für diejenigen, die Zweifel an sich hatten, kaum Verständnis aufbringen.
»Ich denke«, setzte Cecily an und wählte ihre Worte mit Bedacht, »dass jede gute Regung zu etwas Bösem verbogen werden kann. Sehen Sie sich doch nur mal den Magister an. Er handelt aufgrund seines Hasses auf die Schattenjäger, aus Loyalität gegenüber seinen Eltern, die ihn geliebt haben und getötet wurden. Das ist zwar nicht vollkommen unverständlich … aber dennoch keine Entschuldigung für seine Taten. Ich glaube, wenn wir eine Entscheidung treffen – und jede unserer Entscheidungen fällt unabhängig von unseren zuvor getroffenen Entscheidungen aus –, müssen wir nicht nur unsere Gründe hinterfragen, sondern auch überlegen, welche Konsequenzen damit verbunden sind und ob vielleicht anständige Menschen unter dieser Entscheidung zu leiden haben werden.«
Einen Moment herrschte Stille im Raum. Dann meinte Gabriel: »Sie sind sehr weise, Cecily Herondale.«
»Sie sollten sich nicht allzu viele Gedanken über die Entscheidungen machen, die Sie in der Vergangenheit getroffen haben, Gabriel«, sagte sie. »Sorgen Sie nur dafür, dass Sie in Zukunft die richtigen treffen. Wir sind jederzeit in der Lage, uns zu verändern und unserem besseren Ich näher zu kommen.«
»Das wäre aber nicht das Ich, das mein Vater von mir erwartet hätte«, gab Gabriel zu bedenken. »Trotz allem muss ich feststellen, dass ich die Hoffnung auf seine Anerkennung nur widerstrebend aufgebe.«
Cecily seufzte. »Wir können uns nur darum bemühen, unser Bestes zu tun, Gabriel. Ich
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