Cloudbusters und die Stadt der Schläfer (German Edition)
gegrillten Hühnerfleisch mit Fertiggewürz. Sie stieß einen Laut des Ekels aus und sah im Geiste alte Bilder aus einem Fernsehbericht über misshandelte Billighühner aus der Massenhaltung. Aber der Imbiss lief gut - die Koppelitzer mochten Billigfleisch. Ein paar Meter weiter wurde die Luft wieder besser. Milli lächelte und freute sich über die zartgrünen Triebe an Bäumen und Büschen. Der Frühling war eingezogen. So leicht und lebendig wie heute hatte sie sich schon lange nicht mehr gefühlt. Ihre Bedenken und Gewissensbisse waren verschwunden. Erstaunlich, was so ein Abenteuer mit einem machen konnte. Sie hatte etwas Neues an sich entdeckt: sie war nicht wehrlos und konnte etwas bewirken. Das war ein gutes Gefühl. Hoffentlich sah es Anna auch so.
Auf dem Schulhof begegnete ihr Irma Pietsch. Sie hatte sich von ihren langen Rastalocken getrennt und hatte ein paar Piercings weniger im Gesicht.
„Sieht klasse aus“, sagte Milli, während sie Ausschau nach Anna und Ben hielt.
Irma grinste und heftete den Blick auf Millis Wange: „Bist du okay?“
Milli sah sie erstaunt an.
„Die Schramme.“
„Ach, die …“ Milli lachte nervös. „Fahrradunfall.“
Sie riss sich von Irma los und ging ins Schulgebäude. Im Korridor kreuzte Tobi ihren Pfad. Wieder mal bot er ihr seine Hilfe beim Tanzworkshop an. Auch wusste er eine homöopathische Salbe für die Schramme. Milli bedankte sich und suchte weiter nach Anna und Ben. Im Korridor stand Lucretia Ziggedorn mit einer Handvoll Mädchen. Als sie Milli bemerkten, steckten sie ihre Köpfe zusammen und tuschelten. Lucretia hatte gerötete Wangen und sprudelte vor so viel Schadenfreude, dass es schon ekelhaft war.
„Na, Emilie Fischer, hat man dir wehgetan? Ist das Mamachen ausgeflippt?“, rief sie ihr entgegen und grinste ihr ins Gesicht.
Die anderen kicherten hinter vorgehaltener Hand.
Für Lucretia hatte Milli nur einen verächtlichen Blick. Alte Zicke, was wusste die schon über ihre Mutter? Beim Gedanken, dass sie in die Superfirma Ziggedorn eingebrochen waren, musste sie innerlich lachen.
Milli betrat den Klassenraum und sah, dass Maria Frost schon auf ihrem Platz saß und selbstvergessen an einem langen Ding kaute, das wie eine Schaumzuckerfruchtgummischlange aussah.
„Hey, Maria“, sagte Milli, „hast du Anna und Ben gesehen?“
„Nein“, kam es lethargisch zurück. „Aber Lucretia erzählt, dass deine Mutter in der Irrenanstalt ist.“ Maria machte eine Pause und schnäuzte sich. „Bist du jetzt auch ganz allein?“
Das wirkte wie ein Schlag ins Gesicht. Milli schluckte, vorbei war’s mit ihrer Coolness. Maria kaute gemächlich vor sich hin und sah sie unverwandt an. Ihr war offensichtlich nicht klar, dass sie ein Geheimnis ausposaunte. Und noch schlimmer war, dass ausgerechnet Lucretia damit hausieren ging. Milli starrte auf Marias Mund, aus dem noch die Hälfte der Schaumzuckerfruchtgummischlange hing und versuchte, ihre Aufregung zu verbergen.
„Sie ist in der Nervenklinik“, sagte sie knapp. „Man sagt dazu Nervenklinik oder Psychiatrie.“
„Oh - ja – Entschuldigung.“
„Und ich bin nicht allein, sondern bei meinem Onkel“, sprach Milli weiter, „und meine Mutter ist bald wieder gesund.“
Sie stellte ihre Tasche an ihrem Platz ab und setzte sich bei Maria auf den Tisch. Maria sah sie irgendwie wehleidig an – von unten nach oben, wie ein Kälbchen. Sie hatte große dunkle Kulleraugen wie ein Manga Girl und einen Mund, der wie ein Herz geformt war. Ihre Frisur hing ihr ins Gesicht und um ihren Hals baumelte eine Kette mit einem goldenen Kreuz.
„Wie kommst du darauf, dass ich allein sein sollte?“, sagte Milli grimmig.
Maria hörte mit dem Kauen auf und seufzte, als trüge sie eine tonnenschwere Last. „Ich dachte, dass ich dir vielleicht helfen kann.“
Milli entfuhr ein spitzer Schrei. „Du mir helfen!“
Maria zog eine weitere Schaumzuckerfruchtgummischlage aus ihrer Tasche, betrachtete sie ausgiebig und steckte sie Kopf voran in den Mund.
„Willst du auch eine?“
„Nein.“
„Meine Mutter hat mich und meinen Vater verlassen. Einfach so - über Nacht. … Ich meine ja nur - falls du mal darüber reden willst.“
„Verstehe“, brummte Milli. „Danke fürs Angebot.“
„Lucretia sagt, dass deine Mutter in der geschlossenen Abteilung von der Anstalt, äh - Klinik ist“, kam Maria wieder auf das Thema zurück, „und sie denkt, dass du verrückt bist - dass du das geerbt hast.“
„Was! Meine
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