Clovis Dardentor
nehmen.
Auf die vorige, wiederholt an ihn gestellte Frage konnte
der junge Pariser, der sich nun aufrichtete, nur antworten:
»Ich sage zunächst, Jean, daß du dich beruhigen mußt!
Wenn einen das Pech so hartnäckig verfolgt, ist es am bes-
ten, sich zu unterwerfen . . .«
»Oder sich selbst wegzuwerfen!« fiel Jean Taconnat ein.
»Ich kenne das, zu meinen Wahlspruch mach’ ich’s aber
nicht! Nein, wahrlich, das ist doch gar zu stark! Von den
drei Bedingungen, die das Gesetzbuch vorschreibt, wä-
ren nun schon zwei, das Feuer und das Wasser, eingetrof-
fen. Und dieser unglaubliche Dardentor, der doch ebenso
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hätte in die Flammen des Bahnzugs geraten oder unter dem
Hochwasser der Sar verschwinden und den wir, du oder
ich, hätten retten können . . . er mußte es ein, der die Rolle
des Retters spielte! Und du bist es, Marcel, den die Feuers-
brunst, und ich, Jean, den das Wasser sich zum Opfer aus-
ersehen hatte . . .«
»Willst du einen Rat von mir hören?«
»Schieß los, Marcel!«
»Ich muß dir gestehen, ich finde die ganze Geschichte
höchst drollig!«
»Ah so . . . du findest das drollig?«
»Ja, und ich meine, wenn der dritte Zufall einträfe, wenn
es zum Beispiel während des letzten Teils der Reise noch zu
einem Kampf käme, müßte ich stark irren, wenn es nicht
Dardentor wäre, der uns gleich alle beide rettete!«
Jean Taconnat stampfte mit dem Fuß auf, stieß die Stühle
hin und her und trommelte an die Fensterscheiben, daß sie
fast zersprangen. Eigentümlich ist es aber, daß dieser In-
grimm bei einem Fantasten seines Schlags wirklich echt
war.»Siehst du, mein alter Jean«, fuhr Marcel Lornans fort,
»du wirst schon darauf verzichten müssen, dich von Herrn
Dardentor adoptieren zu lassen, wie ich für meinen Teil
darauf verzichtet habe . . .«
»Niemals!«
»Um so mehr, als er jetzt, wo er dein Retter geworden
ist, dich ebenso ins Herz schließen wird, wie schon vorher
mich, dieser Nacheiferer des unsterblichen Perrichon!«
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»Ich brauche seine Liebe und Verehrung nicht, Marcel,
wohl aber seine Adoption, und Mohammed soll mir den
Hals umdrehen, wenn ich nicht das Mittel entdecke, sein
Sohn zu werden.«
»Und wie soll dir das gelingen, da der Zufall ihn so un-
abänderlich begünstigt?«
»Ich stelle ihm Fallen . . . stoße ihn in den ersten besten
Fluß, der uns in den Weg kommt . . . ich stecke sein Zim-
mer, wenn nötig, sein Haus in Brand . . . ich bestelle mir eine
Rotte Beduinen oder Tuaregs, die uns unterwegs überfallen
. . . überall stell’ ich ihm Fallen . . .«
»Und weißt du, was mit deinen Fallen geschehen wird,
Jean?«
»Nun, das liegt doch auf der Hand . . .«
»Du wirst selbst hineingeraten und Herr Dardentor, der
Günstling der guten Feen, der Bote der Vorsehung, das Ur-
bild der erfolgreichen Menschen, wird dich daraus befreien,
er, dem in seinem Leben alles geglückt ist, für den sich das
Rad von Frau Fortuna nur im günstigen Sinne dreht.«
»Ich werde es schon durchzusetzen wissen, daß sie die
Kurbel losläßt!«
»Übrigens, Jean, befinden wir uns jetzt in Tlemcen . . .«
»Nun, was soll das . . .?«
»Binnen 3 bis 4 Tagen werden wir wieder in Oran sein
und dort am klügsten tun, alle vagen Zukunftspläne in den
Brunnen der Vergessenheit zu werfen und unseren Dienst-
vertrag zu unterzeichnen . . .«
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Bei den letzten Worten nahm Marcel Lornans Stimme
freilich eine ganz andere Klangfarbe an.
»Doch sag mir, mein armer Freund«, fuhr Jean Taconnat
fort, »ich glaubte doch, daß Louise Elissane . . .«
»Ja . . . Jean . . . ja! . . . Doch . . . warum daran denken? . . .
An einen Traum, der sich niemals verwirklichen wird! . . .
Jedenfalls werde ich diesem jungen Mädchen eine unaus-
löschliche Erinnerung bewahren.«
»Soweit hast du bereits Verzicht geleistet?«
»Ja, leider!«
»Fast so weit, wie ich auf die Hoffnung, Herrn Darden-
tors Adoptivsohn zu werden!« rief Jean Taconnat. »Wenn
ich dir gegenüber ganz offen sein soll, scheint es mir, daß
von uns beiden du die meiste Aussicht auf Erfolg hast . . .«
»Du bist töricht!«
»Nein . . . dich verfolgt das Pech weniger und ich glaube,
es wird Fräulein Elissane leichter sein, Frau Lornans, als
Jean Taconnat, einmal Jean Dardentor zu werden, obgleich
es sich bei mir nur um einen Namenswechsel handelt!«
Während die beiden jungen Leute dieses Gespräch bis
zum Frühstück fortsetzten, beschäftigte
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