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Club der gebrochenen Herzen

Club der gebrochenen Herzen

Titel: Club der gebrochenen Herzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Moggach
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sich plötzlich. Ihre Augen füllten sich mit Tränen.
    »O Gott, ist das so schlimm?« Harold war beunruhigt; Pia weinte nie. »Kannst du nicht noch was Neues pflanzen?«
    Pia saß am Tisch, zitternd, das Gesicht in den Händen vergraben. Die Katze kam herein und rieb sich an ihrem Bein.
    »Pia, was ist los?«
    Sie sah ihn durch die Finger an. »Wir waren nicht auf der Sitzung. Wir sind in Hampstead Heath spazieren gegangen.«
    »Aber wie … willst du sagen – ihr seid einfach weggeschlichen?«
    Sie murmelte etwas, aber er konnte sie nicht verstehen, ihre Hände waren im Weg.
    »Was?«
    Sie nahm die Hände runter. »Es gab keine Sitzung.«
    Harold war verwirrt. »Wieso nicht?«
    »Es gab einfach keine.«
    Harold schaute auf ihr aufgedunsenes Gesicht, ihre sonnenverbrannte Nase. »Ihr seid also nach Hampstead Heath gefahren? Den ganzen Tag?«
    Sie nickte.
    »Warum hast du mir das nicht gesagt?«, fragte er. »Ich hätte mitkommen können. Ein so schöner Tag. Ehrlich gesagt, ich habe Probleme mit diesem Roman. Und um ganz direkt dieWahrheit zu sagen, ich habe noch gar nicht richtig angefangen …« Seine Worte verloren sich. Er stellte sich plötzlich die Vertrautheit vor, mit der die Frau sich den Helm angelegt hatte.
    »Das wäre keine gute Idee gewesen«, sagte Pia.
 
    Im Hochsommer musste die Fudge Factory dann schließen, ein Opfer der Kürzungen. Auch Pia verschwand. Sie zog mit Kasuko, der zierlichen Japanerin, nach Amsterdam. Offensichtlich lebten sie in einer Art Kollektiv.
    Wie hatte er nur so dumm sein können? Seine Schwester Maureen war lesbisch, er hätte die Zeichen erkennen müssen. Aber was waren die Zeichen ? Pia hatte immer Schlabberhosen getragen und kein Make-up. Außerdem hatte sie gesagt, sie sei nicht lesbisch, es sei einfach passiert, dass sie sich in eine Frau verliebt habe. Sie hatte das in einer verträumten, ausgrenzenden Weise gesagt, als könnte er das als Mann unmöglich verstehen. Harold hatte der Versuchung widerstanden zu sagen, dass er das natürlich verstand, denn auch er liebte Frauen.
    Er fiel in eine wochenlang andauernde Depression. Er fühlte sich wie ausgeweidet, das Innerste herausgerissen; er kam morgens kaum aus dem Bett. Es war ein Gefühl völliger Verlassenheit – nicht einfach als Ehemann verlassen, sondern als Angehöriger des männlichen Geschlechts. Wäre es schlimmer gewesen, wenn sie ihn wegen eines Mannes aufgegeben hätte? Das wäre verständlich – furchtbar schmerzlich, aber verständlich; er hätte sich wehren können. Er hatte das früher schon mal durchgemacht, er kannte die Einsatzregeln im Geschlechterkampf. Aber Pia hatte sich aus der vertrauten Arena verzogen in eine unbekannte Welt und ihn allein gelassen in den Trümmern seiner Ehe, wo er jetzt das Gerümpel inspizierteund nach Hinweisen Ausschau hielt. Säure war nachträglich in die verflossenen Jahre eingesickert und hatte selbst die glücklichsten Zeiten zersetzt. Hatte Pia wirklich seinen haarigen Körper mittleren Alters begehrt, das unschöne Gemächt zwischen seinen Beinen? Objektiv betrachtet, konnte er ihre Sichtweise verstehen. Nicht verwunderlich, dass sie sich in eine Frau verliebt hatte. Mit der Zeit fühlte er sich sogar überraschend verbunden mit seiner Frau. Er stellte sich Kasukos Körper vor, glatt wie eine Robbe und mehr oder weniger knochenlos wie alle Japaner. Sie würde ein schönes Dreieck aus schwarzem Schamhaar haben, seidiger als das einer Engländerin. Die Vorstellung erregte ihn. Wie pervers war das denn?
    An seinem Roman zu arbeiten stand außer Frage. Er war ein sitzengelassener Ehemann und hatte jede Entschuldigung auf seiner Seite. Tief in seinem Herzen war er erleichtert; er konnte sich vollkommen dem Selbstmitleid hingeben. Mary Pickford lächelte auf dem Wandfoto, das sich zu kräuseln begann. Bleib dran – ist sie vielleicht auch lesbisch geworden? Er wusste nichts von ihr, das Ganze war eine folie de grandeur gewesen. Nur, weil er etwas lehrte, hieß das nicht, dass er es selbst tun konnte. Als seine Freunde sich erkundigten, behielt er es für sich, wie einen plötzlichen Kindstod.
    Seine Freunde scharten sich nämlich plötzlich um ihn. Die Auflösung seiner Ehe hatte die Vorhänge zur Welt aufgezogen. Alle äußerten jetzt ihre ehrliche Meinung zu Pia, Meinungen, die sie all die Jahre zurückgehalten hatten. Er stimmte natürlich den meisten zu – sie war so verdammt direkt  … humorlos  … so skandinavisch  … pochte immer auf die Rechte

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