Club der gebrochenen Herzen
öffnete die Klappen. Drei Hennen kämpften sich heraus; übereinander kletternd, stürzten sie los mit schlingerndem Gang, wie Betrunkene, und drängten sich in einer Ecke des Geheges zusammen. Großer Gott, sie waren total kahl! Nein, schlimmer noch, sie waren überall kahl außer an ihren Köpfen und Hälsen, die mit halbherzigem Federwuchs verziert waren. Nur ein fleischiger Stumpf, wo der Schwanz sein sollte. Er hatte nie im Leben etwas so Abstoßendes gesehen.
Harold schloss schaudernd das Tor. Die Hennen standen da mit schräg gelegten Köpfen und beobachteten ihn boshaft aus ihren winzigen gelben Augen. Selbstverständlich keinerlei Andeutung von Dankbarkeit. War ihnen klar, wie dämlich sie aussahen? Er hatte den Verdacht, Pia würde sie womöglich wie diese Schreckensfrau Mädels nennen. Seiner Meinung nach ein Scheidungsgrund.
Er wusste, er sollte die neueste Laune seiner Frau stärker unterstützen. Nur, würde sie von Dauer sein? Ihr vorheriger Rappel, sich fit zu halten, hatte zur Folge, dass das Haus vollgepackt war mit allerlei ausrangierten Geräten, einschließlich eines Hometrainers, an dem er sich immer, wenn er zum Klo im Untergeschoss wollte, den Knöchel stieß. Diese Kleinbauernhofsache war ärger, besonders jetzt während der Wachstumsperiode. Jeder Fenstersims war vollgestellt mit Sämlingen. Sie streckten sich aus ihren kleinen Töpfen, dürr und notleidend; sie schienen sich über Nacht zu vervielfachen, wohin er auch schaute, immer mehr von den Lümmeln, und alle verlangten nach seiner Aufmerksamkeit, denn Pia war natürlich den ganzen Tag bei der Arbeit. Als führte man so ein Waisenhaus.
»Was hast du gegen das Gärtnern?«, fragte Pia.
»Ich bin Jude«, sagte Harold. »Wir sind ein Wüstenvolk.«
»Dann leg dir halt Kaktüsse zu.«
»Kakteen.«
»Sei nicht so pedantisch.« Sie seufzte und fing wieder an. »Ist es nicht befriedigend, das eigene Gemüse zu essen?«
Harold sagte nichts. Er wollte nicht die von Schnecken angefressenen Kartoffeln erwähnen, die verwarzten Tomaten oderden Umstand, dass, als ihre magere Ernte anstand, die Geschäfte genau dasselbe in Hülle und Fülle anboten, nur weit schmackhafter und zu einem Bruchteil des Preises, wenn man die insgesamt aufgewandte Mühe veranschlagte. Hinzu kam, dass man auch nicht mehr im Garten sitzen konnte, wo sich verrottende Kohlköpfe breitmachten. Und jetzt noch ein Hühnerauslauf. »Hör endlich mit dem Gejammer auf«, hatte Pia gesagt. »Warum musst du andauernd so negativ sein? Wir bewahren sie vor einem Leben in Elend. Und denk an die Eier.«
Die Hennen beäugten ihn weiterhin aus ihrer Ecke. Harold dachte, warum sich nicht den Ärger ersparen und sie sofort essen? Im Grunde genommen waren sie bratfertig. Er hob den verkackten Karton auf, bugsierte ihn in die Recycling-Tonne und trat ihn mit dem Fuß nach unten. Pia warf ihm oft vor, er würde zu viel jammern, aber sie war ebenfalls ziemlich gut an der Beschwerdefront. Die bevorstehenden Kürzungen bedrohten die Fudge Factory, und sie hatten schon zwei Mitarbeiter verloren. Pia arbeitete mehr Stunden, hatte Sonntagstreffen und Dringlichkeits-Palaver; kein Wunder, dass sie gestresst und fahrig war und in ihr Handy nuschelte und spätabends noch am Computer saß. Harold hatte volles Mitgefühl, doch sie hatte zumindest Personal, wohingegen das Einzige, was er hatte, ein Haus voller Sämlinge war und jetzt auch noch drei feindselige Hühner.
Harold wurde plötzlich klar, warum sie ihn so anstarrten. Sie hatten nichts zu fressen. Pia hatte Hühnerfutter im Internet bestellt, aber das würde erst am nächsten Tag geliefert.
Harold stapfte zur Küche. Was zur Hölle sollte er jetzt tun? Er blieb am Eingang stehen. Überall war Erde auf dem Boden verteilt; die Katze hatte eine der Saatkisten als Toilette benutzt.Er ignorierte es und öffnete die Vorratskammer. Was fraßen Hennen überhaupt – Bulgurweizen? Nudeln? Sollte er die zuerst kochen? Als er so dastand, verdammte er das Arts Council. Nein, eigentlich die Banker. Wären sie nicht so geldgierige Bastarde, wäre seine Frau hier und würde das mit dem Federvieh erledigen. Sein Sonntag war ruiniert, das ganze Land fiel auseinander, und denen ging alles am Arsch vorbei.
Harold griff nach seinem Portemonnaie und verließ türeknallend das Haus. Keine Chance, heute irgendetwas zu arbeiten. Er musste Vogelfutter kaufen – Erdnüsse, etwas in der Richtung. Es gab ein Gartencenter an der Dalston Lane.
Trotz allem hob
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