Club Kalaschnikow
darunter.
Weiter hinten bemerkte sie Major Kusmenko. Margarita, mit einem durchsichtigen Schal um den Kopf, flüsterte ihm etwas ins Ohr. Er nickte zur Antwort.
»Katja, geh jetzt zum Sarg und nimm Abschied«, vernahm sie die Stimme ihres Vaters.
Ihr Vater hatte die ganze Zeit neben ihr gestanden und ihre Hand gehalten. Die Mutter war zu Hause geblieben, um Shannotschka zu helfen. Nach der Beerdigung würden etwa fünfzig Leute zum Essen kommen, darunter auch solche, von denen man etwas über Sweta Petrowa erfahren konnte. Lieber Himmel, was ging ihr in diesem Moment durch den Kopf? Gleich ist die Totenmesse zu Ende. Auf den letzten Weg muß man einen Menschen mit demütigem, stillem Herzen begleiten und darf an nichts Schlechtes, Böses, Unwichtiges denken.
Katja berührte die eiskalte Stirn mit den Lippen. Auf der Haut des Toten war Schminke. Das machte sie aus irgendeinemGrund besonders traurig. Ein Papierband mit dem Text eines Gebetes als Totenkranz. Ein solches Band hatte Katja in ihrem Kopfkissen gefunden. Hätte die Kugel ihre Richtung nur ein klein wenig, nur um ein paar Zentimeter geändert, wäre alles ganz anders. Dann würde man jetzt Katja zu Grabe tragen. Vielleicht war es ja auch so beabsichtigt gewesen.
***
Die Expertise ergab, daß Gleb Kalaschnikow mit der »Makarow« getötet worden war, die früher einmal Nikolai Guskow gehört hatte und von seiner Tochter aufbewahrt worden war. Man holte Olga am Montag um sieben Uhr morgens ab. Gleichzeitig wurde Oma Iwetta von einem Krankenwagen in die Psychiatrie gebracht.
Es stellte sich heraus, daß ein Nachbar aus dem siebten Stock, der in der Nacht vom vierten auf den fünften September seinen Hund Gassi geführt hatte, Olga gesehen hatte, als sie nach Hause gekommen war, und zwar keineswegs um elf Uhr, sondern erst um halb zwei.
»Ja, ich war es, ich habe ihn getötet«, wiederholte Olga tonlos, als sie im Büro von Untersuchungsführer Jewgeni Tschernow saß.
»Sie gestehen also den Mord an Gleb Konstantinowitsch Kalaschnikow?« fragte Tschernow.
»Ich habe mich von ihm losgesagt, und er ist gestorben. Ich wollte ihn nicht länger lieben. Wenn ein Mensch von niemandem geliebt wird, stirbt er.«
»Aber entschuldigen Sie, er hatte außer Ihnen doch auch noch Eltern und eine Ehefrau. Meinen Sie nicht, die haben ihn auch geliebt?«
»Sein Vater liebt nur sich selbst. Seine Mutter? Ja, vielleicht. Ich weiß über sie fast gar nichts. Was die Ehefrau angeht – dazu möchte ich lieber nichts sagen. Sie interessiertsich nur für ihr Ballett. Gleb lebte in Sünde und Schmutz. Aber meine Liebe hat ihn beschützt. Deshalb bin ich schuld an seinem Tod. Nur ich. Über mich müssen Sie richten.«
»Wen man richten muß, wird die Untersuchung zeigen«, knurrte Tschernow und legte die »Makarow« vor Olga auf den Tisch. »Ist das Ihre Pistole?«
»Ja.«
»Haben Sie irgendwann einmal daraus geschossen?«
»Nein.«
»Olga Nikolajewna, gehen wir alles der Reihe nach durch. Wo waren Sie in der Nacht vom vierten auf den fünften September?«
»Ich bin mehrere Abende hintereinander dorthin, zum ›Prospekt Mira‹, gefahren. Aber zu ihrem Haus bin ich nicht gegangen.«
»Also in der Nacht vom vierten auf den fünften sind Sie von der Arbeit nicht nach Hause, sondern zum ›Prospekt Mira‹ gefahren, Sie versichern aber, sich dem Haus, in dem der Ermordete wohnte, nicht genähert zu haben?«
»Ja.«
»Erinnern Sie sich noch, welchen Weg Sie genommen haben? Sie kamen aus der Metro, und wie sind Sie dann gegangen?«
»Zur Besboshny-Straße.«
»Die Mestschanskaja-Straße befindet sich auf der anderen Seite des Prospekts«, sagte Tschernow nachdenklich. »Warum sind Sie zur Besboshny-Straße gegangen?«
Olga schwieg und starrte zu Boden. Vor einer Stunde hatte ein Psychiater mit ihr gesprochen und sie eindeutig für zurechnungsfähig erklärt. Ja, eine Neurasthenie war vorhanden, als Folge von Erschöpfung und der schwierigen familiären Situation. Ja, es gab Anzeichen für eine subakute reaktive Psychose in Form eines astheno-depressiven Zustands. Aber Olga Guskowa war zurechnungsfähig, sie war sich ihrer Worte und Handlungen bewußt.
»Sie hat einen seltsamen, exaltierten Charakter, ist sehr verschlossen, aber alles bewegt sich innerhalb der Norm. Der Intellekt ist überdurchschnittlich entwickelt, das Gedächtnis ausgezeichnet«, hatte der Psychiater gesagt, »sie ist eine typische Asthenikerin, sowohl konstitutionell wie nervlich.«
»Also,
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