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Club Kalaschnikow

Club Kalaschnikow

Titel: Club Kalaschnikow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Polina Daschkowa
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Bekennen Sie sich des Mordes schuldig? Nicht im übertragenen, sondern im konkreten Sinn. Haben Sie auf Kalaschnikow geschossen oder nicht?«
    »Nein, ich habe nicht geschossen. Ich antworte Ihnen zum dritten Mal. Warum begreifen Sie nicht, jemandem den Tod zu wünschen und ihn zu töten – das ist ein und dasselbe. Dieselbe Sünde.«
    »Vom Standpunkt der Religion aus vielleicht«, sagte Tschernow, »da bin ich kein Fachmann. Aber juristisch gesehen sind das zwei vollkommen verschiedene Dinge.« Er stand auf und ging nervös im Büro hin und her. »Wenn Sie die Pistole nicht berührt haben, muß jemand bei Ihnen eingedrungen sein, die Pistole aus der Schublade genommen und den Mord begangen haben. Danach muß er wieder in Ihrer Wohnung gewesen sein und die Pistole zurückgelegt haben. Sie müssen zugeben, das alles zu tun, ohne daß Sie etwas merken, ist ziemlich schwierig.«
    »Das habe nicht ich zu beurteilen.«
    »Aber wer denn?! Wer, wenn nicht Sie? Warum haben Sie die Pistole nicht abgegeben? Wissen Sie, daß es einen Paragraphen gibt – illegaler Waffenbesitz?«
    »Ich weiß. Aber die Pistole meines Vaters war für mich keine Waffe. Die Oma bewahrte sie als Andenken auf. Und niemand hat sich je dafür interessiert.«
    »Niemand? Aber Felix Grischetschkin wußte von ihr.«
    »Ja, ich habe Felix gegenüber einmal davon gesprochen. Versehentlich.«
    »Wer außer Grischetschkin kann noch von der Pistole gewußt haben?«
    »Gleb.«
    »Und wer noch? Bitte versuchen Sie sich zu erinnern. Es ist wichtig. Wer kommt zu Ihnen ins Haus?«
    »Der Arzt aus der Bezirksklinik, ein junger Mann vom Sozialamt, der die Rente bringt, die alten Frauen aus unserem Hof, mit denen Oma Kontakt hat.«
    »Und mit wem haben Sie Kontakt? Sie haben doch Bekannte, Freunde?«
    »Margarita kommt manchmal zu mir. Margarita Krestowskaja, meine ehemalige Klassenkameradin.«
    »Weiß sie von der Pistole?«
    »Margarita? Ich habe keine Ahnung. Was hat sie denn mit der Sache zu tun?«
    »Haben Sie ihr irgendwann einmal gesagt, daß Sie eine Pistole haben?«
    »Das weiß ich nicht mehr. Sie hat so viele Jahre in der Schreibtischschublade gelegen.«
    »War sie geladen?«
    »Damit kenne ich mich nicht aus.«
    »Lag in der Schachtel außer der Pistole noch etwas?«
    »Nein.«
    »Keine Plastikschachtel mit Patronen?«
    »Nein. Es gab keine Patronen. Sie war wohl auch kaum geladen. Meine Eltern hätten niemals eine geladene Waffe in der Wohnung an einem für ein Kind erreichbaren Platz aufbewahrt.«
    »Die Sache ist die, Olga Nikolajewna, die Pistole war geladen. Geladen und gesichert. Die Experten nehmen an, daß drei Schüsse aus ihr abgegeben wurden. Vielleicht zwei Probeschüsse, zum Training. Die Waffe wurde tatsächlich viele Jahre nicht benutzt. Aber dann wurde sie zerlegt, gesäubert, eingefettet, wieder in Ordnung gebracht und in Gebrauch genommen. Mit dem dritten Schuß wurde Gleb Kalaschnikow ermordet.«
    »Ich bitte Sie sehr«, sagte Olga leise, »sagen Sie nicht immer wieder, daß Gleb ermordet wurde. Das tut mir weh. Er wird jetzt gerade beerdigt. Ich kann nicht einmal Abschied von ihm nehmen. Und noch etwas, lassen Sie mich bitte mit meiner Oma sprechen. Ich muß sie beruhigen. Sie ist zum ersten Mal im Krankenhaus. Ich muß wissen, wie es ihr geht.«
    »Gut«, sagte Tschernow, »ich setze mich mit dem behandelnden Arzt in Verbindung.«
    Als man Olga wieder in ihre Zelle geführt hatte, lehnte Jewgeni Tschernow sich in seinem Stuhl zurück und schloß die Augen. Er versuchte zu begreifen, warum dieses Verhör ihn so erschöpft hatte.
    Tschernow ließ sich nie vom ersten Eindruck leiten. Er vermied es tunlichst, Menschen aufgrund persönlicherEmotionen zu beurteilen, nach Sympathie oder Antipathie. Er hatte bereits Lügner aller Spielarten erlebt. Man hatte ihm hysterische und epileptische Anfälle, Gedächtnisverlust, Taubheit, Blindheit, pathologische Beschränktheit und manchmal sogar pathologische Ehrlichkeit vorgespielt. Er verstand sich darauf, Fallen zu stellen und in logische Sackgassen zu locken. Aber jetzt war er selbst in einer Sackgasse. Hier gab es keine Logik, nur Gefühle.
    Wenn diese seltsame, völlig verrückte, aber ungemein bezaubernde Olga Guskowa doch einen Mord aus Leidenschaft begangen und ihren Geliebten erschossen hatte, dann war sie eine geniale Lügnerin.

Kapitel 18
    Die Gäste strömten herein. Die Wohnungstür wurde gar nicht mehr geschlossen. Man brachte Toasts auf den Verstorbenen aus und trank, aber ohne

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