Club Kalaschnikow
Wange, tätschelt ihre Schulter und befummelt mit seinen schwitzigen, routinierten Tatzen meinen Schatz, mein Glück …
18. März
Je näher der Frühling rückt, desto quälender zieht sich mein Herz zusammen. Heute habe ich sie aus der Himmelfahrtskirche kommen sehen. Der Abendgottesdienst war zu Ende. Sie trug ein schwarzes Kopftuch, das sie wie eine alte Frau tief ins Gesicht, bis auf die Brauen, gezogen hatte, und einen langen schwarzen Rock. Unter dem feuchten Saum schauten alte, abgetragene Turnschuhe hervor. Sie war noch magerer und blasser geworden, ihr Gesicht war ganz durchsichtig, und diese riesigen, unglaublichen Augen … Sie willigte ein, zu mir ins Auto zu steigen, und ich habe sie nach Hause gefahren. Den ganzen Weg hat sie geschwiegen, nur ganz kurz erklärt, wie ich fahren muß. Und natürlich nach ihm gefragt: »Felix Eduardowitsch, haben Sie ihn heute gesehen? Wie geht es ihm?« Ich antwortete, es gehe ihm gut. Es geht ihm immer gut. Ich fragte, wie sie sich fühle. Ob sie krank sei? Warum sieso blaß sei? Und fing prompt an, allen möglichen Schwachsinn zu reden – Sie leben doch mit Ihrer kranken Oma zusammen, wenn Sie Hilfe brauchen, ich bin immer für Sie da. Ich habe Ärzte unter meinen Bekannten, und überhaupt sollen Sie wissen, wenn Sie irgend etwas brauchen, ich werde immer …
Ich merke, sie hört mir gar nicht zu. Sieht zum Fenster hinaus. Und unterbricht mich plötzlich mitten im Satz: »Felix Eduardowitsch, kennen Sie seine Frau? Was meinen Sie, wie ist ihre Beziehung?« Und ich blöder Trottel halte ihr eine Predigt, sage, ihre Beziehung sei stabil und glücklich, und er würde seine Frau niemals verlassen, wenn es das sei, woran sie denke. Er hatte vor Ihnen andere Frauen, sage ich, er betrügt seine Frau ständig, aber er wird sich nie von ihr scheiden lassen.
Was hat mich nur gestochen? Sie begann regelrecht zu zittern. Bestimmt wird sie sich nie mehr zu mir ins Auto setzen und mir in Zukunft aus dem Wege gehen … Er ruiniert ihr das Leben, verflucht soll er sein!
14. Mai
Ich habe bemerkt, daß sie nie lacht, nicht einmal lächelt. Daran ist er schuld, nur er. Er hat genug Geld, um ihr eine anständige Wohnung zu kaufen und die kranke Oma in einem guten Heim unterzubringen. Ich habe versucht, darüber mit ihm zu sprechen, aber die Antwort war nur sein übliches Zähnefletschen, sein idiotisches Grinsen: Was das mich anginge? Wieso ich mich einmischte?
27. Juli
Seine Frau ist auf Tournee. Sie sind jetzt fast die ganze Zeit zusammen. Sie wohnt nicht bei ihm im Haus, sie kann die verrückte Alte nicht so lange allein lassen, aber sie verbringt jede freie Minute mit ihm. Und jede Sekunde, vierundzwanzig Stunden am Tag, denkt sie an ihn … Mein Gott, wie ich ihn hasse …
Major Kusmenko überflog Seite für Seite. Je näher der September kam, desto heftiger wurde der Haß auf Kalaschnikow und desto fiebriger die Liebe zu Olga Guskowa.
30. August
Ich mußte sie sehen. Ließ das Auto stehen, ging zu Fuß. Ich verfolgte sie wie ein Spion, ging ihr nach in die U-Bahn, mit der ich schon ewig nicht gefahren bin. Mir schwirrte der Kopf von dem Menschengewühl, ich verlor sie aus den Augen, fand sie aber bald wieder. Ich war mir so gut wie sicher, daß sie am »Prospekt Mir« aussteigen würde. Sie bemerkte mich nicht, ging wie im Traum, stolperte und weinte. Ich holte sie ein, mimte Erstaunen und betonte auf jede Weise die Zufälligkeit unserer Begegnung. Aber sie freute sich plötzlich, mich zu sehen. Zum ersten Mal. Ich traute meinen Augen nicht. Sie begann zu erzählen, hastig, wie im Fieber, daß sie mit ihm Schluß gemacht habe, es nicht länger aushalten könne. Er hatte versprochen, er werde mit seiner Frau sprechen, sobald sie von der Tournee zurück sei. Katja sei vor zehn Tagen zurückgekommen, und alles wäre beim alten.
Sie erzählte, sie hätte gebetet, daß Katjas Flugzeug abstürzen oder ihr Bus verunglücken möge. Sie meinte, wie schön es gewesen wäre, wenn diese Frau, die übrigens an nichts schuld ist, niemals zurückgekehrt wäre. Und dann kam plötzlich ein Satz, bei dem mir der Schweiß ausbrach: »Einer von uns dreien muß sterben.«
Sie sprach so laut, daß die Passanten sich nach uns umdrehten. Ich zog sie zu einer Bank, wir setzten uns, und ich fragte: »Wer? Welche drei?« Als Antwort murmelte sie kaum hörbar: »Alles wird bald auf schreckliche Weise zu Ende gehen. Ein Schuß aus einer Pistole – egal, auf wen …« Ich
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