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Club Kalaschnikow

Club Kalaschnikow

Titel: Club Kalaschnikow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Polina Daschkowa
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fragte sie: »Was für eine Pistole, Olga?«
    Sie sah mich mit wahnsinnigen Augen an und sagte laut und deutlich und fast ruhig: »In meiner Schublade liegt diePistole meines Vaters. So kann es nicht weitergehen. Wenn ich es nicht fertigbringe, mich selbst zu töten, dann töte ich diese Frau. Sie oder ich … eine muß sterben.«
    Keine Tränen, trockene, entschlossene Augen. Ich versuchte, sie zu beruhigen, aber sie zitterte wie im Fieber. Ihre Hände waren eiskalt, ihre Augen funkelten in trockenem, bösem Feuer. »Olga, geben Sie mir die Pistole, bevor es zu spät ist. Ich schaffe sie Ihnen vom Hals, ein für allemal.« Ich versuchte, ruhig zu sprechen, unbeteiligt zu erscheinen.
    Sie schwieg nur, starrte mich lange unverwandt an, dann leckte sie sich auf einmal nervös die Lippen und sagte: »Was für eine Pistole, Felix Eduardowitsch? Es gibt keine Pistole. Wie kommen Sie darauf?«
     
    Die folgende Seite war die letzte. Es standen nur wenige Zeilen darauf.
     
    5. September
    Sie hat es doch getan. Aber daneben geschossen und ihn getroffen. Darin liegt etwas Symbolisches … Mein Gott, nichts liegt darin, das ist nur ein Alptraum, ein grenzenloser, wahnsinniger Alptraum, aus dem man sie irgendwie herausholen muß … Aber trotzdem gut, daß es ihn getroffen hat und nicht Katja …
     
    Die letzten Zeilen waren mit undeutlicher, nervöser Handschrift geschrieben.
    ***
    »Laßt uns beten für die ewige Ruhe des jüngst verschiedenen Gottesknechtes Gleb …«, wiederholte der alte Protodiakon.
    Katja starrte unverwandt auf das bleiche Gesicht ihres Mannes und versuchte sich bewußt zu machen, daß sie ihn zum letzten Mal sah. Aber statt eines feierlich-traurigen,demütigen Gefühls, das der tiefe, vielstimmige Gesang des Kirchenchors, der süße Weihrauchduft und die eindringlichen Worte des Totenkanons hätten hervorrufen sollen, überkam Katja plötzlich eine ganz unpassende, unanständige Wut.
    Wer hat dich umgebracht, Gleb? Wofür? dachte sie. Ja, du warst ein Leichtfuß, ein Windhund, du hast aus vollen Zügen gelebt, ohne dich umzusehen. Du hast gelogen wie ein kleines Kind, du brauchtest ständig Selbstbestätigung, du warst ein notorischer Schürzenjäger. Aber du hast niemandem etwas Böses getan. Es ist nicht wichtig, ob wir uns irgendwann doch noch getrennt hätten oder ob wir zusammen alt geworden wären. Wichtig ist nur eins – du hättest noch lange leben und deinen eigenen, natürlichen Tod sterben sollen und nicht das Opfer einer fremden, grausamen Laune werden dürfen. Jemand hat dir vierzig Jahre deines Lebens gestohlen. Ich werde nicht eher ruhen, als bis ich weiß, wer das war.
    Sie ließ ihren Blick über die Gesichter der am Sarg stehenden Menschen gleiten. Tante Nadja, bleich, mit toten, halb geschlossenen Augen, einer Ohnmacht nahe. Onkel Konstantin, tränenüberströmt, aber mit frischem Gesicht, auf den Wangen lag eine leichte, schon etwas greisenhafte Röte. Er erinnerte ein wenig an einen alten Postkarten-Nikolaus.
    Katja fühlte sich unbehaglich. Warum mochte sie ihren Schwiegervater so wenig? Es war keine moralische Verurteilung, es war einfach Antipathie, ohne einen vernünftigen Grund. Margarita war nicht zu sehen. Sie stand irgendwo weiter hinten, hielt sich taktvoll zurück, um den Eltern Gelegenheit zu geben, ein letztes Mal gemeinsam bei ihrem Sohn zu sein.
    Lunjok, durchtrainiert und glatt wie immer. Doch statt in der üblichen Lederjacke im schlichten dunkelgrauen Anzug. Sein Gesicht war angespannt und finster, zwischenden Brauen zeichnete sich eine tiefe Falte ab. Wahrscheinlich dachte er gerade dasselbe wie Katja: Wer hat den Auftrag gegeben? Wer hat geschossen? Ihm war das keineswegs gleichgültig. Sie mußte ihm von Boris erzählen. Auch Lunjok sollte nach dem Mörder suchen, mit seinen Methoden. Der Miliz mußte sie ebenfalls davon berichten. Aber erst später. Wer den Mörder fand, war nicht wichtig. Hauptsache, er bekam, was er verdiente. Er? Oder sie? Etwa doch diese unglückselige Olga?
    Katja suchte mit den Augen das Gesicht in der Menge, das sie nie gesehen hatte. Aber sie war überzeugt, daß sie diese Frau auf den ersten Blick erkennen würde. Nein. In der Kirche war sie nicht.
    Sie suchte auch nach einem anderen Gesicht. Sie hoffte, Sweta Petrowa würde doch noch in der Kirche erscheinen. Es waren viele Bekannte und Freunde aus ihrer gemeinsamen Kindheit gekommen. Viele hatten sich verändert, aber Katja erkannte sie alle. Sweta Petrowa war nicht

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