Club Kalaschnikow
übersetzen.
Aber auf dem Land ist es trotzdem schön. Der Tag so klar und frostig, die Sonne eiskalt, der Schnee glitzert und knirscht. Wir sind zur Datscha gefahren. Vor dem Haus ein schwarzer Opel. K. wurde sauer und fing an, wüst herumzufluchen. Das verstehen die Deutschen auch ohne Übersetzung und wiehern wie die Pferde.
Es war seine Stiefmutter, die unverhofft aufgetaucht war. Dieses Starlet Stiefmutter zu nennen ist lächerlich. Eine rothaarige Nutte, dreiundzwanzig Jahre, sehr sexy, aber nicht mein Geschmack. Mir hat dieser Typ noch nie gefallen, er macht mir Angst.
Aber jetzt zur Hauptsache. Die rote Schlampe hatte eine Freundin mitgebracht, um mit ihr Ski zu fahren und frische Luft zu schnappen. Mir blieb fast das Herz stehen, als ich sie erblickte. Olga, liebe Olga … Als kleines Kind hatte ich ein Buch ›Die Märchen der Brüder Grimm‹, in deutscher Sprache, eine Geschenkausgabe aus München, mit prächtigen Illustrationen in bunten, zarten Farben; vor jedem Bild lag als Schutz ein dünnes Blatt Seidenpapier. Ich liebte es, die Bilder zuerst durch das Seidenpapier wie durch einen dünnen Schleier zu betrachten, dann hob ich vorsichtig den Vorhang, und das Bild wurde lebendig und leuchtete in all seinen Farben. Dieses Mädchen mit dem schimmernden Haar, seinen riesigen dunkelblauen Augen in dem blassen, durchsichtigen Gesicht sah der Prinzessin aus dem Märchen ›König Drosselbart‹ so ähnlich, als hätte sie dem Maler Modell gestanden. Das Buch ist um die Jahrhundertwende erschienen. Es liegt jetzt vor mir und ich sehe sie, Olga. Lachhaft – ein erwachsener, dicker, einsamer Mann mit einem Kinderbuch. Gut, daß mich niemand sieht. Ich kann mir vorstellen, wie K. wiehern würde, dieses Vieh.
Er hat sie auf den Armen ins Haus getragen. An ihrerSkibindung war etwas kaputt. Natürlich wurde K. sofort wieder munter und hat seiner Stiefmutter verziehen. Versteht sich, bei einem solchen Wunderwesen. Es stand nur die Tischlampe hinter ihr, aber es sah aus, als läge ein Strahlenkranz um ihren Kopf. Mein Gott, ich weiß nicht, wie ich ohne sie leben soll.
K. hat ihr auf seine Weise den Hof gemacht, hat den zuvorkommenden Gastgeber gespielt, darauf versteht er sich. Hat sie mit Alkohol abgefüllt. Sie war nach einer Grippe recht schwach und schläfrig. Die Deutschen wieherten, das rothaarige Filmsternchen spreizte seine Federn, und mir blieb das Essen in der Kehle stecken. Vielleicht habe ich’s mir nur eingebildet, aber vielleicht hat die Rothaarige K. tatsächlich zugeflüstert, daß Olga noch Jungfrau sei. Ich kann dieses Wort nicht ausstehen. Es hat irgend etwas Obszönes. Überhaupt ist unsere Sprache die reinste Kloake, was das Sexuelle betrifft. Olga schlief fast bei diesem Vieh auf dem Schoß. Na, anschließend hat er sie selbstverständlich auf Hausherrenart vernascht. Für ihn ist das nur ein weiteres hübsches Spielzeug, für mich – das ganze Leben. Von so einem Mädchen habe ich seit meiner Kindheit geträumt. Ich weiß, es wird nichts daraus werden. Sie hat mich nicht einmal angesehen.
Major Kusmenko blätterte weiter. Die Krestowskaja hatte sie also miteinander bekannt gemacht, »dieses Starlet, diese rothaarige Nutte, diese Schlange«. Sie hatte Olga zum Skifahren auf die Datscha mitgenommen, wo ihr Stiefsohn sich mit seinen Freunden traf. Kalaschnikow hatte seine jugendliche Stiefmutter nicht erwartet und sich über ihr Auftauchen geärgert. Ihr Verhältnis war also wirklich schwierig. Ob die Krestowskaja wohl gewußt hatte, daß ihr Stiefsohn auch auf die Datscha kommen wollte? Oder war es ein zufälliges Zusammentreffen?
10. Februar
Den ganzen Tag starkes Schneetreiben. Gegen Abend ein Sturm wie am Nordpol. Ich fahre zum Casinotor hinaus und sehe Olga. Ein dünner Regenmantel, durch den der Wind bläst, nichts auf dem Kopf. Ich halte an, frage sie, warum sie bei der Kälte so dünn angezogen ist. Sie grüßt mich zerstreut und gleichgültig und sieht die ganze Zeit an mir vorbei, in die Richtung, aus der sie ihn erwartet. »Wissen Sie zufällig, ob er bald kommen wird?«
Sie erinnert sich nicht einmal mehr an meinen Namen. Es existiert für sie niemand mehr auf der Welt, nur er allein. Aber wer ist er schon? Eine Null, ein blinder Fleck, ein freches gieriges Tier. Es zerreißt mir das Herz, wenn ich mir die beiden zusammen vorstelle. Aber ich brauche mir gar nichts vorzustellen, ich habe sie schon viele Male gesehen. Er gibt ihr einen flüchtigen Schmatz auf die
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