Club Kalaschnikow
anzustoßen.
»Begleitest du mich nach draußen?« fragte Valera Lunjok und berührte Katjas Arm.
Sie gingen zusammen ins Treppenhaus. Der schweigsame Leibwächter Mitjai begab sich sofort zum Auto.
»Olga ist verhaftet worden«, sagte Lunjok leise, »du weißt doch, wer Olga ist?«
»Ja.« Katja nickte. »War sie es denn?«
»Es sieht ganz so aus. Heute früh hat man sie festgenommen. Einzelheiten weiß ich noch nicht, aber wenn sie verhaftet wurde, muß es Beweise geben. Aber sag vorläufig niemandem etwas davon. Wirklich niemandem.«
»Ja, natürlich … Seltsam, daß dieser Major von der Miliz mir gar nichts gesagt hat.«
»Er wird es noch tun.« Lunjok grinste spöttisch. »Er wird es dir ganz offiziell mitteilen. Und noch eine weitere Neuigkeit. Grischetschkin ist tot.«
»Wie?! Seit wann?«
»Er hatte gestern einen Autounfall. Ist mit einem Kühlwagen zusammengestoßen. Er war sofort tot.«
»Der Arme. Wie merkwürdig. Er ist doch immer so vorsichtig gefahren.«
Der Aufzug kam, eine etwa sechzigjährige Frau trat heraus. Sie war grell und schlampig geschminkt und stank fürchterlich nach Alkohol.
»Katja, mein Kind, ach, was für ein Jammer! Nein, ist das nicht ein Jammer?« Sie brach in Tränen aus, küßte Katja schmatzend auf die Wange und wischte ihr dann gleich die Spuren ihres Lippenstifts ab. »Verzeih, mein Liebes, aber ich komme ohne Einladung. Neulich hast du mich doch noch angerufen und nach meiner Sweta gefragt. Und da hast du mir gar nichts erzählt, als sei ich eine Fremde. Aber ich bin doch keine Fremde, ich habe euch doch alle gekannt, als ihr noch klein wart, dich und Gleb. Ist deine Mutter hier? Und Nadeshda? Und Sie, sind Sie ein Freund von Gleb?« Sie zog geräuschvoll die Nase hoch und schüttelte Lunjok die Hand. »Ich sehe ihn noch vor mir, so ein süßer kleiner Kerl. Meine Sweta ist spurlos verschwunden, diese Rumtreiberin. Man hört und sieht nichts von ihr. So was Schäbiges, nicht mal die eigene Mutter anzurufen.«
»Guten Tag, Ella Anatoljewna«, sagte Katja freundlich.
In der Tür tauchte die lächelnde Margarita auf.
»Katja, wo bleibst du denn? Valera, Sie brechen schon auf? Gute Fahrt.«
»Margarita!« Ella Anatoljewna stürzte sich sofort auf sie. »Du auch hier! Sag mal, wo steckt bloß meine Sweta? Wolltet ihr nicht am Samstag zusammen irgendwohin? Sweta hat gesagt …«
»Nein, wir haben uns nicht getroffen«, unterbrach Margarita sie rasch und faßte sich plötzlich an den Kopf. »Oje, der Kaffee! Er läuft gleich über!« Sie rannte zurück in die Wohnung.
Seltsam, dachte Katja, ich habe sie doch nach Sweta Petrowa gefragt, und sie hat gesagt, sie kennt keine Sweta.
Lunjok verabschiedete sich und ging.
»Verschwunden ist sie, meine Sweta«, schnatterte Ella, »wie vom Erdboden verschluckt. Ich weiß gar nicht, was ich denken soll. Was sind das nur für furchtbare Zeiten, der arme Gleb ermordet, mir wurde ganz schlecht, als ich es erfuhr. In die Kirche hab ich es nicht geschafft, und auf den Friedhof wollte ich nicht, ich hatte Angst, ich finde euch nicht und komme zu spät, aber ganz ohne Totenehrung geht es doch auch nicht. Der liebe Gleb, ich sehe ihn noch vor mir, das kleine Kerlchen … Na, und da bin ich.« Ella fischte aus ihrer abgeschabten Handtasche eine Schachtel billiger Zigaretten und knipste ihr Feuerzeug an.
Katja sah, daß ihr die Hände zitterten.
»Wann ist Sweta denn verschwunden? Wann haben Sie sie das letzte Mal gesehen?«
»Am Samstag spät abends. Wie sie gegangen ist, hat sie noch gesagt, in zwei Stunden bin ich zurück. Bis jetzt ist sie noch nicht wieder aufgetaucht. Und heute haben wir Montag. Wieso stehen wir eigentlich auf der Treppe? Wir müssen auf den Frieden seiner Seele trinken.«
Gleich betrinkt sie sich noch mehr, und ich kriege gar nichts Vernünftiges über Sweta mehr aus ihr heraus, dachte Katja. Obwohl – wozu eigentlich noch? Wenn man Olga verhaftet hat, ist ja alles klar. Ich habe mich geirrt. Sweta Petrowa hat nichts damit zu tun. Und mein dummer Ausflug auf den Markt war ganz sinnlos. Alles paßt zusammen. Olga hat mich angerufen und mir Gemeinheiten gesagt, sie hat mir die magischen Gegenstände ins Kissen gesteckt. Vielleicht hat sie sich auch als Pennerin verkleidet. Ich habe sie ja nie gesehen. Wieso soll ich eigentlich Detektiv spielen, mich auf Trödelmärkten herumdrücken und hinter Mülleimer-Boris herlaufen, wenn es dafür die Miliz gibt?
Plötzlich überfiel sie eine bleischwere Müdigkeit.
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