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Club Kalaschnikow

Club Kalaschnikow

Titel: Club Kalaschnikow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Polina Daschkowa
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durchdacht hat, dann muß es ihr sehr wichtig gewesen sein, deinen Mann aus dem Weg zu räumen.«
    »Nein«, Katja schrie fast, »ein so passender Moment hätte sich kaum noch einmal geboten. Als hätte der Teufel ihr diese Nacht eingeflüstert.«
    »Aber trotzdem, warum hat sie das getan? Du wolltest mir noch sagen, was ihr Motiv war«, erinnerte sie Pawel.
    »Ich kann nicht.« Katja verzog wieder schmerzhaft das Gesicht. »Verzeih, ich kann jetzt nicht. Später erzähle ich es dir, ganz bestimmt.«
    »Möchtest du etwas essen?« fragte Pawel nach einer langen Pause.
    »Nein. Ich möchte schlafen. Und weinen.«
    Den Rest des Weges fuhren sie schweigend. Als Katja vor seinem Haus anhielt, sagte er, bevor er ausstieg:
    »Verzeihst du mir, wenn ich dieselbe dumme Frage wieder stelle?«
    »Natürlich.« Katja lächelte schwach. »Aber tu es besser nicht.«
    »Na gut. Ruf mich an, wenn du zu Hause bist. Ich gehe erst nach deinem Anruf schlafen.«
    Er berührte mit den Lippen ihre Schläfe, nur für eine Sekunde, und stieg rasch aus.
    So darf man einen Menschen nicht behandeln, dachte Katja, als sie auf den leeren Gartenring fuhr, er ist der einzige, der mich liebt.
    An der Ampel steckte sie sich eine Zigarette an. Wie schön und beruhigend ist es, nachts durch das menschenleere Moskau zu fahren, Mitte September, wenn es noch ganz warm ist und man das Fenster öffnen kann, damiteinem der Wind ins Gesicht bläst. Wie schön ist es überhaupt, auf der Welt zu sein, und wie schrecklich ist es, jung zu sterben, durch die böse Laune eines anderen Menschen. Morgen sind es neun Tage her. Dann werden es vierzig sein, danach wird man nur noch die Monate, dann die Jahre zählen, und allmählich wird die Erinnerung an die Stimme, das Gesicht, den Geruch verblassen. Am deutlichsten sah sie jetzt seltsamerweise den kräftigen, selbstbewußten fünfjährigen Gleb mit dem weizenblonden Haar vor sich, den Igel, der durch das feuchte Gewebe des Panamahutes stach, und die bunten Lichtflecken auf dem heißen Sand.
    Sie fuhr sehr langsam, kämpfte die aufsteigenden Tränen nieder, wurde wieder ruhiger und beschloß, noch bei einem der nachts geöffneten Supermärkte vorbeizufahren und etwas zu essen und eine Flasche Kognak zu kaufen. Heute war es genau eine Woche her, in dieser Nacht mußte sie auf Glebs Gedenken trinken. Einfach allein in der Küche sitzen, eine Weile um ihn weinen und an ihn denken.
    In dem leeren Supermarkt träumte eine blutjunge Kassiererin, den Kopf auf die Arme gelegt, vor sich hin. Als Katja eintrat, schreckte sie hoch und begann sich die Augen zu reiben. Katja kaufte eine kleine Flasche Kognak, ein Glas Oliven, Brot, Käse und ein paar Äpfel. Sie parkte den Wagen in dem stillen Hof und stieg die Stufen zum Hauseingang empor. Unwillkürlich blickte sie sich dabei immer wieder nach dem schwarzen Akaziengebüsch am Kinderspielplatz um.
    Als die schwere eiserne Eingangstür hinter ihr zugeschlagen war, blieb sie einen Moment stehen und lauschte auf die hallende Stille des Treppenhauses. Oben raschelte etwas, irgendein leises Gewisper und Getuschel. Nein, das hatte sie sich nur eingebildet.
    Der Lift blieb rumpelnd stehen, in irgendeiner Wohnung bellte verschlafen ein Hund. Katja holte die Wohnungsschlüssel heraus und erstarrte von neuem. Das Rascheln hatte sich wiederholt. Das Herz klopfte ihr bis zum Hals,in den Ohren summte es. Und durch das Summen hörte Katja deutlich das leise Lachen einer Frau.
    Auf dem Fensterbrett zwischen dem zweiten und dritten Stock saßen die halbwüchsige Mascha aus der Nachbarwohnung und ihr Freund. Mit einem tiefen Seufzer der Erleichterung schloß Katja die Tür auf und tastete mit geübter Bewegung nach dem Lichtschalter im Flur. Aber das Licht ging nicht an.
    Die Birne ist durchgebrannt, dachte sie.
    In diesem Moment spürte sie einen jähen Luftzug hinter sich, der frische Kleegeruch des teuren französischen Parfums »Madame Jamais« stieg ihr in die Nase. Einen Sekundenbruchteil später drückte ihr etwas Dünnes, Hartes den Hals zusammen.
    Katja begann zu schreien, der Schmerz war unerträglich, so überwältigend, daß sogar der eigene Schrei in diesem Schmerz wie in dickem Filz steckenblieb. Vor den Augen tanzten ihr scharlachrote Flämmchen. Verschwommen wurde ihr bewußt, daß die Tür noch nicht geschlossen war, und sie trat mit aller Kraft dagegen. In der linken Hand hielt sie immer noch die Tüte mit den Lebensmitteln, sie riß den Arm hoch, im Versuch, aufs Geratewohl

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