Club Kalaschnikow
leise und fügte hinzu: »Gute Nacht.«
Sie wollte schon abschalten, aber da schnappte sich Shannotschka, die aufgewacht war und aus dem anderen Zimmer angerannt kam, das Handy.
»Wenn du Schlampe nicht endlich Ruhe gibst, dann schreib dir die Folgen selber zu!« schrie sie ins Telefon und fiel danach über Katja her: »Alles hat seine Grenzen! Du mußt dem Untersuchungsführer davon erzählen, damit dieses Miststück gefunden und zur Verantwortung gezogen wird. Es gibt doch genügend Paragraphen – Erpressung, Bedrohung oder zumindest grober Unfug! Du mußt etwas tun! So geht das nicht weiter! Du mußt ihr drohen, sie einschüchtern, ihr den Mund stopfen! Also ich verstehe dich nicht, bist du denn aus Stein!«
Katja schüttelte den Kopf.
»Ich bin nicht aus Stein. Aber ich will auf keinen Fall die Miliz hineinziehen. Denn dann bekommt garantiert die Presse Wind davon. Ich will nicht, daß man in meinem Privatleben herumwühlt. Ich wünsche es nicht.«
»Und wenn sie es war, die geschossen hat? Und nicht auf ihn, sondern auf dich?«
»Hör auf, du hast zu viele mexikanische Seifenopern gesehen, jetzt brodeln für dich überall die Leidenschaften. Die anonymen Anrufe haben mit dem Mord nichts zu tun. Wenn das der Fall wäre, würde sie nicht mehr anrufen, sie hätte Angst. Aber stattdessen heult sie ins Telefon. Sie heult um Gleb. Sie ist eine Idiotin, aber keine Mörderin. Um Gleb aufzulauern, aus dem Gebüsch zu feuern, ihn mit dem ersten Schuß zu töten und dann spurlos zu verschwinden, muß man seinen Verstand gebrauchen. Der Mörder war bei klarem Verstand und wollte nicht, daß man ihn erwischt. Das hat ein kaltblütiger Profi getan, nicht eine verliebte Hysterikerin.«
»Woher willst du das wissen?« Shannotschka gab sich noch nicht zufrieden.
Sie stand mitten im Zimmer, klein und rundlich, im langen, rosageblümten Nachthemd. Ihr hellblondes, sich leicht kräuselndes Haar sah aus wie der Flaum eines zerzausten Kükens, ihre runden Wangen waren gerötet, und die blauen Augen funkelten zornig.
»Diese Schlange war hier bei dir im Haus, und nicht nur einmal! Sie hat mit deinem Mann in deinem Bett geschlafen! Hast du etwa diese widerliche Geschichte mit dem Kopfkissen schon vergessen?«
Katja runzelte die Stirn.
»Das war dummes Zeug, esoterischer Hokuspokus.«
»Das war alles andere als dummes Zeug! Wenn du es nicht tust, dann erzähle ich dem Untersuchungsführer alles!«
»Ist ja gut, beruhige dich. Überleg mal selbst, was willst du ihm denn erzählen? Eine betrunkene Stadtstreicherin hat mich auf der Straße vor einem Geschäft belästigt, und du hast ihr albernes Geschwätz für bare Münze genommen.«
»Das war kein Geschwätz.« Shannotschka schüttelte den Kopf. »Sie hat die Wahrheit gesagt. Du steckst den Kopf in den Sand. Du verläßt dich nur auf die Vernunft. Aber nicht alles im Leben gehorcht den Gesetzen der Vernunft.«
»Shannotschka, komm, laß uns eine Tasse Tee trinken«, seufzte Katja, »wir können jetzt sowieso nicht mehr einschlafen.«
Bis das Wasser kochte, rauchten beide schweigend. Katja sah plötzlich das schmutzige Gesicht mit dem schwarzblauen Veilchen unter dem Auge deutlich vor sich, die zerrissene Skimütze, die bis auf die Brauen heruntergezogen war.
»Sei auf der Hut, es gibt eine, die dich vernichten will, die deinen Mann liebt und dich in den Tod treiben wird. Wenndu mir nicht glaubst, dann trenne dein Kopfkissen auf, sieh nach, was drin ist.«
Sie war mit Shannotschka aus dem Supermarkt gekommen. Die Stadtstreicherin trippelte hinter ihnen her und nuschelte immer weiter. Anfangs beachteten sie sie nicht. Dann wurde es Shannotschka zuviel, sie fuhr die Frau an: »Verschwinde!«, und hielt der lästigen Irren ein paar Tausendrubelscheine hin.
»Mit dir rede ich nicht«, brummte die Stadtstreicherin, »nimm dein Geld weg. Ich rede mit dieser Frau hier. Wenn ich weggehe, ist es aus mit ihr.« Die Verrückte lief um sie herum und versperrte Katja den Weg. »Du denkst, du bist stark? Von wegen! Bald wirst du mehr wissen, aber dann ist es zu spät. Die Krähe krächzt, die Nebenbuhlerin sticht mit Nadeln in dein Bild, direkt in die Augen, und stellt jeden Tag eine Totenkerze für dich auf. Trenn das Kissen auf. Sonst ist es zu spät.«
»Laß mich in Frieden!« Katja hielt es nicht mehr aus, fischte ein paar kleine Scheine aus der Tasche und streckte sie der Stadtstreicherin hin. »Hier, nimm, und laß mich in Ruhe.«
»Ich nehm dein Geld nicht, von Toten nehme
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