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Club Kalaschnikow

Club Kalaschnikow

Titel: Club Kalaschnikow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Polina Daschkowa
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erlitten.«
    »Ja, Onkel Konstantin. Wir haben beide viel verloren.«
    Nach dem Gespräch blieb ein widerlicher, klebriger Nachgeschmack. Kalaschnikow hatte ganz beiläufig, wie zufällig, die einzige Nacht erwähnt, in der Katja nicht zu Hause geschlafen hatte und erst morgens zurückgekehrt war. Das ging ihn nichts an. Und es war besonders unpassend,es in einem Atemzug mit der Aufteilung des Erbes zu erwähnen.
     
    Es war vor etwa drei Monaten gewesen, Ende Mai. Draußen rauschte ein warmer Sommerregen. Im Theater lief »Schwanensee«. Gleb hatte irgendwelche Baschkiren, die mit Öl zu tun hatten, angeschleppt und in die erste Reihe gesetzt. In der Pause stürmte die ganze Gesellschaft zu Katja in die Garderobe.
    Es waren drei Baschkiren. Einer war schon etwas älter, trug die baschkirische Nationaltracht – einen Filzhut und weiche Stiefel mit hochgebogenen Spitzen – und summte die ganze Zeit irgendein schwermütiges Steppenlied vor sich hin. Er sprach mit niemandem und starrte aus seinen Schlitzaugen starr vor sich hin. Wie sich später herausstellte, war er der Anführer, der Boß. Die beiden anderen waren jung, lebhaft, krummbeinig, schwatzten ohne Pause, fluchten, lachten wiehernd und erzählten unanständige Witze. Ihre Stimmen waren hoch, fast wie Frauenstimmen. Alle drei stanken zehn Meter gegen den Wind nach Alkohol.
    Bei Katja tauchten sie mit einer bereits entkorkten Flasche französischem Kognak auf, tranken direkt aus der Flasche und drängten Katja ununterbrochen: »Trink mit uns, Schöne, zier dich nicht!«
    »Warum du bist so mager und müde? He, Kalaschnik, warum du gibst deine Frau schlecht zu essen? Ich habe vier Frau, jedes Frau ist dick, fleischig, schön, du hast nur ein Frau, und guck, was hat Frau dünne Arme. Frau muß sitzen zu Hause, nicht auf Bühne herumspringen.«
    Dabei tätschelte derjenige, der am betrunkensten war, laut lachend Katjas nackte Schulter. Gleb aber saß im Sessel, die Beine auf den kleinen Zeitschriftentisch gelegt, und telefonierte übers Handy.
    »Sei nicht böse, Schätzchen«, gurrte er leise ins Telefon,»ich habe gerade sehr wichtige Gäste … Na, sagen wir morgen … Ich versprech’s dir … Olga, nun hör schon auf, reg dich ab …«
    Katja wußte, wer diese Olga war. Ihr riß die Geduld.
    »Bitte, geht jetzt alle hinaus«, sagte sie ruhig, bemüht, ihre Stimme nicht zu heben.
    »Gleb, man schätzt uns hier nicht«, bemerkte einer der Gäste und rülpste.
    »Also, ich küsse dich, Schätzchen, sei nicht traurig«, säuselte Gleb ins Telefon und blickte seine Frau unzufrieden an: »Katja, was hast du denn?«
    »Nichts. Bring deine Gäste raus. Mir reicht’s.«
    »Was reicht dir? Womit bist du unzufrieden? Okay, sie haben einen kleinen sitzen. Wir hatten wichtige Gespräche, danach muß man sich entspannen.«
    »Dann hättest du sie zur Entspannung besser ins Casino zum Striptease führen sollen. In drei Minuten muß ich wieder auf die Bühne. Verkrümelt euch.«
    In diesem Moment erhob der Älteste seine Stimme. Er hatte aufgehört, sein melancholisches baschkirisches Liedchen zu summen, seine trüben Schlitzaugen waren auf Katja geheftet, und er sprach mit sehr tiefer, knarrender Stimme:
    »Warum beleidigst du uns, Frau? So redet man nicht mit Gästen.«
    Angespannte Stille trat ein. Man hörte, wie der alte Baschkire schwer und pfeifend atmete. Ohne länger zu warten, wie diese idiotische Szene enden würde, verließ Katja die Garderobe und schloß leise die Tür hinter sich.
    Im nächsten Akt waren die vier Plätze in der ersten Reihe leer.
    Sie versuchte sich einzureden, daß ihre angespannte und zornige Verfassung der Rolle der Odile sehr zugute käme. Eine ausgezeichnete Odile gäbe das – eine zornige, rasende Furie. Aber statt energischer Wut überkam sie stickige,matte Melancholie. Den letzten Akt tanzte Katja wie ein Roboter, ohne Gefühl, mechanisch die Schritte zählend. Wie viele waren es noch bis zum Ende?
    Katja wußte, morgen würde sie sich schämen. Weder die Zuschauer noch das Ensemble oder ihr Partner Mischa Kudimow wollten etwas von ihrer seelischen Verfassung und ihrer Wut auf den Ehemann wissen. Sie hatte den letzten Akt des Balletts fast ruiniert, und nur sie allein war schuld daran.
    In der fünften Reihe, an der Seite, sah sie Pawel Dubrowin sitzen und freute sich. Er kam in fast jede Aufführung. Anfangs hatte Katja nur kühle Verwunderung gespürt, wenn sie sein Gesicht im Saal bemerkte. Dann gewöhnte sie sich daran.

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