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Club Kalaschnikow

Club Kalaschnikow

Titel: Club Kalaschnikow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Polina Daschkowa
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und das hatte sie nun davon. Der Zeh tat jetzt noch weh. Für einen normalen Menschen eine Bagatelle, aber für einen Tänzer ein erhebliches Handicap. Und später, nachdem sie ihren berühmten Pas ballotté besonders gut getanzt hatte, hatte Galja Melnikowa, eine junge, begabte Solistin, mit unschuldigem blauem Augenaufschlag und aufrichtiger Empörung gesagt: Also, was ist diese Nikiforowa doch für ein Biest! Sie behauptet, du wärst nicht mehr so in Form, die frühere Leichtigkeit wäre verschwunden. Stell dir vor, so ein Schwachsinn.
    Ljudmila Nikiforowa war eine alte, erfahrene Tanzpädagogin. Katja war von ihr fünf Jahre unterrichtet worden und schätzte ihre Meinung hoch. Die Nikiforowa sagte immer die Wahrheit, aber nur persönlich, unter vier Augen.Hinter dem Rücken würde sie so etwas niemals sagen, schon gar nicht zu Galja Melnikowa. Wie traurig, daß die nette, begabte Galja sich als so eine neidische Giftnudel entpuppte. Und an Gleb mit seinen baschkirischen Kumpanen und seinem Olga-Schätzchen mochte sie schon gar nicht mehr denken.
    Katja merkte selber nicht, wie sie in dem gemütlichen Sessel zu den süßen Stimmen des farbigen Jazzquartetts einschlummerte. Pawel blieb überrascht und verwirrt mit dem Tablett in der Hand auf der Türschwelle stehen und schlich dann leise, auf Zehenspitzen, zum Computertischchen. Eine Kaffeetasse klirrte. Katja öffnete die Augen.
    »Verzeihen Sie.« Er errötete vor Verlegenheit.
    »Verzeihen Sie mir, Pawel. Sie sind bestimmt auch müde. Ich bin so dreist bei Ihnen hereingeplatzt, und dann schlafe ich auch noch ein. Ich rufe jetzt ein Taxi und fahre.« Sie schaute auf ihre Uhr. »Mein Gott, schon halb zwei!«
    »Was reden Sie da! Ich bin absolut nicht müde. Und überhaupt … Ich habe so selten Besuch, erst recht nicht jemanden wie Sie. Ich werde noch zum menschenscheuen Sonderling, der nur vor seinem Computer sitzt.«
    »Nicht doch, Pawel! Sie sind ein weltgewandter Mensch. Schließlich gehen Sie fast jeden Abend ins Ballett.«
    Er goß den Kaffee ein, setzte sich in den quietschenden unbequemen Sessel, schwieg lange und sagte dann plötzlich ganz leise: »Möchten Sie nicht wissen, warum?«
    Katja nahm einen Schluck Kaffee und sagte rasch, ohne ihn anzusehen: »Nein. Vorläufig nicht. Aber ich freue mich immer, wenn ich Sie unter den Zuschauern sehe.«
    »Danke. Möchten Sie auch die zweite Seite hören? Oder soll ich etwas anderes auflegen?«
    »Nein, lassen Sie nur. Pawel, haben Sie denn Kontakt zu ihrem kleinen Bruder?«
    Pawel erzählte von seinem Stiefbruder und kramte dann noch allerlei Anekdoten aus seiner eigenen Kindheit hervor.Auch Katja erzählte alle möglichen Geschichten von früher. Die Peinlichkeit zwischen ihnen verschwand, unmerklich gingen sie zum »Du« über.
    Katja betrachtete zum ersten Mal aufmerksam sein Gesicht. Ein unscheinbares, eher häßliches Gesicht, aber interessant – eine kluge, hohe Stirn und ein energischer, scharfgeschnittener Mund. Kurze, leicht gelockte dunkelbraune Haare, kleine blaue Augen. Wenn er die Brille abnahm, sahen sie müde und ein wenig verloren aus.
    Draußen donnerte es. Aus den dicken vereinzelten Regentropfen wurde ein heftiger Schauer. Die leichte Gardine blähte sich, flatterte aufgeregt wie der Flügel eines riesigen Nachtfalters. Dann schlug das Fenster zu und klemmte die Gardine ein.
     
    In der Küche seiner riesigen leeren Wohnung saß böse, aufgebracht und völlig nüchtern Gleb Kalaschnikow, nur in der Unterhose, rauchte und lauschte auf die mechanische Stimme im Hörer: »Der Teilnehmer ist zur Zeit nicht erreichbar …«
    Am frühen Morgen kehrte Katja nach Hause zurück, schloß leise die Tür auf und zog im Flur ihre Schuhe aus. Nach der durchwachten Nacht fröstelte sie etwas. Gleb schlief zusammengerollt auf der Küchenbank. Sie wollte rasch ins Bad schlüpfen, aber er hörte es, sprang auf, blinzelte verschlafen und sagte heiser: »Wo warst du?«
    »Bei Bekannten.«
    »Hättest du nicht wenigstens anrufen können? Warum hast du dein Telefon abgeschaltet? Ich bin fast verrückt geworden. Bei wem warst du?«
    »Hör auf«, sagte Katja müde, »du hast doch bestimmt schon mit dem Wachmann vom Theater gesprochen und weißt, mit wem ich weggefahren bin. Geh schlafen, Gleb. Es ist fünf Uhr morgens.«
    »Ich habe nicht nur mit Edik gesprochen«, sagte Gleblangsam, mit zusammengebissenen Zähnen, »außer ihm haben es noch zwei andere Leute für ihre Pflicht gehalten, mich zu informieren. Bist du

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