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Club Kalaschnikow

Club Kalaschnikow

Titel: Club Kalaschnikow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Polina Daschkowa
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Mittlerweile hatten sie sich schon ein paarmal am Dienstausgang kurz unterhalten.
    »Na, sind Sie doch noch ein Ballettfan geworden?« fragte Katja einmal.
    »Nein. Ich mag Ballett immer noch nicht.«
    »Langweilen Sie sich denn nicht? Tut es Ihnen nicht um die Zeit und das Geld leid?«
    »Nein.«
    »Haben Sie Familie, Kinder?«
    »Nein.«
    Katja nahm an, er würde bald wieder verschwinden. Es kam ja von ihrer Seite keinerlei Ermunterung, nur ein gleichgültiges »Danke, alles Gute«.
    Aber jetzt, als sie spürte, daß sie die Aufführung durch ihren Kummer, ihre Gekränktheit und das widerliche, zitternde, hysterische Selbstmitleid fast ruinierte, ließ Katja ihren Blick auf dem schon so vertrauten und trotzdem fremden Gesicht Pawel Dubrowins ruhen und dachte: Gut, daß er hier ist.
     
    Der Vorhang fiel. Die Zuschauer klatschten höflich und teilnahmslos Beifall. Es gab nur einen Vorhang. Katja schminkte sich hastig ab und zog sich um, rannte dann nachdraußen und sah dort, wie immer, den schwarzen Lada auf dem Hof stehen. Pawel lehnte am Auto und rauchte.
    Im Theater war Pawel Dubrowin schon allen bekannt, viele begrüßten ihn fast wie einen der ihren. Aber als sich Katja nun vor den Augen des Wachmanns und mehrerer Tänzer nicht in ihren Ford, sondern in Dubrowins Lada setzte, warfen sich zwei Ballettmädchen vielsagende Blicke zu, Mischa Kudimow stieß einen überraschten Pfiff aus und schüttelte den Kopf.
    »Wohin fahren wir?« fragte Pawel.
    »Wie wär’s mit einer kleinen Fahrt durch das nächtliche Moskau? Wenn es aufhört zu regnen, könnten wir irgendwo spazierengehen, vielleicht an den Patriarchenteichen.«
    »Der Regen wird wohl kaum aufhören. Für heute nacht ist ein Gewitter angesagt. Aber ich wohne in der Nähe der Patriarchenteiche. Wir könnten dort spazierengehen, und wenn es ein Gewitter gibt, sind wir schnell bei mir zu Hause. Hätten Sie nicht Lust auf ein Abendessen?«
    »Ich würde gern Tee trinken. Aber nicht im Restaurant, irgendwo, wo es ruhig ist und keine Leute sind.«
    »Ich verstehe«, Pawel nickte, »dann sind die Patriarchenteiche genau das Richtige, und danach gehen wir zu mir. Tee und Ruhe kann ich Ihnen garantieren.«
    Als sie zu den Teichen abbogen und vor einer Ampel hielten, fragte Pawel: »Katja, sind diese betrunkenen Asiaten, die Ihr Mann in der Pause zu Ihnen in die Garderobe geschleift hat, der Grund für Ihre schlechte Laune? Ich habe Sie noch nie so traurig gesehen.«
    »Was wissen Sie von diesen Asiaten?« fragte Katja.
    »Ich habe gesehen, wie sie mit Ihrem Mann zusammen hinter die Bühne gegangen sind.«
    »Gott hab sie selig. Heute ist sowieso ein gräßlicher Tag, schon seit dem frühen Morgen. Wissen Sie, so ein Tag, wo man sich schon morgens über irgendwelchen Kleinkram ärgert. Und anschließend geht alles schief.«
    »Und was ist morgens passiert?« fragte Pawel und hielt auf dem Hof vor seinem Haus an. Es regnete immer noch. In dem leeren alten Hof brannte eine einsame Laterne. Der Wind war stärker geworden. Katja knöpfte fröstelnd ihren Blazer zu.
    »Eigentlich nichts Besonderes«, sagte sie und fuhr sich durchs Haar, »eine solche Bagatelle, daß es nicht lohnt, darüber zu reden. Haben Sie einen Schirm?«
    »Katja, wollen Sie bei diesem Wetter wirklich spazierengehen?« fragte Pawel.
    »Nein«, Katja seufzte, »es hat wohl keinen Sinn. Ich weiß nicht, warum, aber immer, wenn ich einfach nur mal durch die Gegend schlendern und frische Luft schnappen will, regnet es. Und im Winter fängt es entweder gerade an zu schneien oder es taut, und man versinkt bis zu den Knien im Dreck. Gehen wir zu Ihnen nach oben, da können wir eine Tasse Tee trinken, und danach rufe ich mir ein Taxi und fahre zurück zum Theater und von dort in meinem Auto nach Hause.«
    »Wieso ein Taxi? Ich kann Sie doch zum Theater bringen.«
    »Danke. Wecken wir bei Ihnen zu Hause auch niemanden auf?«
    »Nein. Ich lebe allein.«
    »Schon lange?«
    »Seit fünf Jahren. Seit meiner Scheidung.«
    »Und Ihre Eltern?«
    »Meine Mutter ist tot, und mein Vater hat wieder geheiratet. Ich habe noch einen Stiefbruder, der ist acht Jahre alt.«
    Der Aufzug war so klein und eng, daß sie ganz nah beieinander stehen mußten, Schulter an Schulter. Eine unbehagliche Pause trat ein. Der alte, mit Zoten vollgeschmierte und nach Urin und billigem Tabak stinkende Aufzug mit den schwarzen, an den Rändern verkohlten Löchern anstelle derKnöpfe brauchte eine Ewigkeit bis zum fünften Stock. Die ganze Zeit

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