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Club Kalaschnikow

Club Kalaschnikow

Titel: Club Kalaschnikow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Polina Daschkowa
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schwiegen sie und sahen einander nicht an, als hätten sie ein schlechtes Gewissen.
    Als der Aufzug endlich anhielt, klingelte das Handy in Katjas Handtasche. Sie zog es heraus, wollte schon sprechen, überlegte es sich aber anders und schaltete es ab.
    »Das war sicher Ihr Mann«, bemerkte Pawel vorsichtig. »Er weiß ja nicht, wo Sie sind, und wird sich Sorgen machen.«
    »Von mir aus. Das wird ihm eine Lehre sein.«
    Pawel schwieg. In der Wohnung war es still und dunkel, und Katja spürte sofort: ja, er wohnte hier tatsächlich schon seit vielen Jahren allein. Sie blieb im Flur stehen, zog sich die Haarnadeln aus dem zerzausten Knoten und bürstete sich vor dem gesprungenen ovalen Spiegel das Haar. In der Küche klappte die Kühlschranktür, dann fiel polternd etwas zu Boden, zerbrach aber nicht.
    »Pawel, Sie brauchen nichts zu kochen«, rief sie und betrachtete sich im Spiegel, »nur Tee oder Kaffee.«
    »Und was möchten Sie lieber?«
    »Kaffee. Wenn Sie gemahlenen haben. Löslichen trinke ich nicht.«
    »Den mag ich selber nicht. Ich hab auch noch Käse da, allerdings ist er schon ziemlich trocken, ein Glas Oliven, Würstchen und etwas Sauerkohl. Aber der Zucker scheint alle zu sein.«
    Er kam mit einer Zellophantüte aus der Küche, in der sich zwei jämmerliche, dunkel angelaufene Würstchen krümmten.
    »Pawel, das ist wirklich nicht nötig, danke. Nur Kaffee.«
    »Wenn ich vorher gewußt hätte, daß Sie heute kommen – ich esse fast nie zu Hause, abgesehen vom Frühstück. Setzen Sie sich und verschnaufen Sie etwas, inzwischen lege ich Ihnen Musik auf und koche uns Kaffee. Falls Sie ihn süß mögen, irgendwo habe ich noch Honig.«
    Er führte sie in das große, fast leere Wohnzimmer. In derMitte des Raums leuchtete auf einem runden einbeinigen Tisch der Monitor eines eingeschalteten Notebooks. Im bläulichen Nebel schwammen blasse Fische. Auf einem riesigen Schreibtisch vorm Fenster stand noch ein Computer, ein großer PC, der ausgeschaltet war. Zwei Sessel, der eine solide, aus Leder, der andere ein typisches Siebziger-Jahre-Modell, das wacklig und unbequem aussah und vermutlich quietschte. In der Ecke, auf dem Fußboden, eine große neue, bestimmt sehr teure Stereoanlage, daneben Fernseher und Videorecorder. Ein antikes, allerdings schrecklich abgewetztes Büfett, dem sämtliche Türen fehlten und das mit Büchern, Audio- und Videokassetten und CDs vollgestopft war.
    »Was soll ich spielen? Was für Musik hören Sie gern?«
    »Haben Sie klassischen Jazz?« fragte Katja und setzte sich in den großen Ledersessel.
    »Glenn Miller, Louis Armstrong, Ella Fitzgerald«, zählte Pawel rasch auf, »aber ich lege lieber mal etwas auf, das Sie bestimmt noch nie gehört haben.«
    »Das wird Ihnen kaum gelingen«, meinte Katja, »aus dieser Sparte kenne ich fast alles. Jedenfalls alles, was man zur Klassik rechnen kann.«
    »Wirklich? Ich wette, das hier hören Sie zum ersten Mal.«
    »Gut, legen Sie es auf. In drei Minuten nenne ich Ihnen den Interpreten.«
    Ein sanfter Tenor sang auf Englisch vom schläfrigen Mississippi, über den langsam ein Dampfer fährt.
    »Gilt die Wette?« fragte Katja.
    »Natürlich!«
    »Worum wetten wir?«
    »Um was Sie wollen!« »Dann um diese Kassette!«
    »Bitte sehr!«
    »Das sind die ›Ink Spots‹ mit ›Up a lazy river‹, Mitte vierziger, Anfang fünfziger Jahre!« sprudelte Katja hervor.
    Pawel stand mitten im Zimmer, in der Hand immer noch die Tüte mit den Würstchen.
    »Es war nicht fair von mir, zu wetten«, sagte Katja lächelnd, »mit klassischem Jazz kenne ich mich wirklich gut aus. Keine Sorge, ich werde Ihnen Ihre Kassette nicht wegnehmen. Ich weiß, es ist eine sehr seltene Aufnahme. Ich überspiele sie mir und gebe sie Ihnen zurück. Übrigens, diese Würstchen schmeißen Sie besser weg. Die sehen ja furchtbar aus.«
    »Ja, wirklich.«
    Er ging wieder in die Küche, wo leise die Kaffeemühle zu summen begann. Katja streifte die Schuhe ab und machte es sich mit untergeschlagenen Beinen bequem. Erst jetzt merkte sie, wie schrecklich müde sie war. Es war ein endlos langer, unerfreulicher Tag gewesen. Gegen neun Uhr morgens war sie ins Theater gefahren, vor der Probe hatte die ganze Truppe sich versammelt, es hatte eine häßliche Intrige gegeben, die Katja beilegen mußte. Danach hatte sie sich bei der Probe schmerzhaft den großen Zeh verstaucht. Sie hatte ihre geliebten alten Ballettschuhe, obwohl sie schon fast auseinanderfielen, noch ein letztes Mal angezogen,

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