Club Kalaschnikow
fremden Ruhms zu atmen. Eine Freundin der Mutter brachte sie als Maskenbildnerin am Maly-Theater unter. Fremden Ruhm gab es dort reichlich, aber das Gehalt war kümmerlich. Ein kluger Bekannter riet ihr, auch noch Massage zu lernen. Nach und nach kamen die Kunden, zuerst Durchschnittsleute, dann die prominenten, reichen. Zum Teil halfen ihr die alten Beziehungen der Mutter. Sie verdiente viel Geld, und es ging ihr nun eigentlich in jeder Beziehung gut: Sie war finanziell abgesichert und hielt sich für eine attraktive Frau, nicht schlechter als die anderen.
Und da bat man sie eines Tages, noch einen weiteren Kunden anzunehmen, einen schwierigen, launischen Mann, der unter verschleppter Osteochondrose litt. Sweta kannte ihn aus dem Fernsehen. Er gehörte zu den Leuten »von ganz oben«. Im übrigen ein sehr attraktiver Mann. Ein Typ, der ihr schon immer gefallen hatte – männlich-streng, mit kräftigem Kinn und klugen, müden Augen.
Das war keineswegs unwichtig, denn manchmal kamen zur Massage noch andere, intimere Dienstleistungen – es hatte sich so ergeben. Aber dafür bekam sie natürlich auch entsprechend mehr Geld.
Mit diesem nicht mehr ganz jungen Beau ging alles recht schnell, schon bei der dritten Sitzung war es soweit. Siedachte, es müsse schön sein, einen solchen Mann zum Liebhaber zu haben, so attraktiv, großzügig, mit Geld und Verbindungen, und bemühte sich nach Kräften, den neuen Kunden nicht zu enttäuschen.
Sweta wußte, er war verheiratet und hatte einen erwachsenen Sohn. Sie wußte auch, daß er eine feste Geliebte hatte. Sehr schnell begriff sie, daß die Ehefrau überhaupt keine Rolle mehr spielte, daß aber die andere Frau zu einem ernsten Problem werden konnte. Natürlich versuchte sie herauszufinden, wer es war. Es kostete sie nicht viel Mühe – von der romantischen Liebe, die nun schon fast zwei Jahre dauerte, wußten viele.
Als man ihr den Namen sagte, blieb ihr die Luft weg. Alle ihre Komplexe aus der Pubertät, alle dummen Kränkungen der Kindheit erhoben sich wie eine heiße trübe Woge vom Grund ihrer Seele. Katja Orlowa! Die Dörr-Giselle. So hatten sich ihrer beider Wege wieder gekreuzt.
Im tiefsten Inneren fühlte sie sich durch diese Rivalität sogar geschmeichelt. Sie war genausoviel wert wie die Dörr-Giselle! Und wen er vorziehen würde, war doch klar – natürlich sie, Sweta. Sie war eine richtige Frau, an der alles dran war.
Während noch die alte Wut mit neuer Kraft in ihr kochte, während sie bereits heimtückische Pläne schmiedete, löste sich plötzlich alles unerwartet leicht. Katja tauchte zur Unzeit auf und benahm sich dumm und stolz. Sie ging von selbst, ohne sich auch nur umzuschauen, ohne sich dafür zu interessieren, mit wem ihr Liebster sich in seinem Büro vergnügte. Ihre Schuld, wenn sie nicht begriff, daß man solche Männer nicht einfach aufgab.
Doch die Siegesfreude wurde getrübt, als sie erfuhr, daß Katja nicht vor Kummer dahinsiechte, sondern Gleb Kalaschnikow heiraten würde. Eben diesen Gleb, um den damals so viele halbwüchsige Mädchen gelitten hatten und in den auch Sweta ein wenig verliebt gewesen war.
Ihre Mutter wurde natürlich zur Hochzeit, die im Festsaal des Restaurants »Praga« stattfand, eingeladen. Und natürlich ging Sweta mit. Dort fand sich die Gelegenheit, Katja die ganze Wahrheit ins Gesicht zu sagen und ihr die gute Laune zu verderben. Sweta beschimpfte sie als unbegabte Mißgeburt, erklärte, Gleb habe sie nur geheiratet, weil ihre Eltern miteinander befreundet waren, und Katja habe sich ihm aufgedrängt. Und überhaupt, wenn Sweta nicht gewesen wäre, hätte es gar keine Hochzeit gegeben, und Katja wäre nicht in der Neujahrsnacht nach Peredelkino gefahren.
Sweta erwartete, daß die Braut sich empören und hellhörig werden würde. Dann konnte sie ihr den letzten, tödlichen Schlag versetzen und ihr sagen, daß sie, Sweta Petrowa, bei Jegor Barinow im Büro gewesen war und daß er sie bis zum Wahnsinn liebe.
Aber zu diesem entscheidenden Schlag kam es nicht. Das Gespräch fand im Aufenthaltsraum für die Orchestermusiker statt, und gerade als Sweta ihrer Rivalin die vernichtende Wahrheit an den Kopf werfen wollte, kamen lärmend die Musiker hereingestürmt, und das Gespräch riß ab.
Erst später, als sie wieder zu sich kam, erinnerte sie sich, daß in Katjas Augen weder Tränen noch Entsetzen gestanden hatten, sondern nur ein unaussprechliches Erstaunen und Mitleid. Sie hatte fast die ganze Zeit geschwiegen,
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