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Club Kalaschnikow

Club Kalaschnikow

Titel: Club Kalaschnikow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Polina Daschkowa
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Information ist es wert.«
    * * *
    Die Frau am anderen Ende der Leitung, am anderen Ende von Moskau, legte den Hörer auf und steckte sich eine Zigarette an. Sie saß zusammengekrümmt auf einem Küchenhocker. Die breiten vollen Schultern hingen kraftlos herab. Das kurze, sehr dünne hellblonde Haar war ungewaschen und zerzaust, das noch junge, aber krankhaft aufgedunsene Gesicht sah ohne Make-up bleich und farblos aus.
    »Du wirst mir schön brav das Geld bringen«, murmelte die Frau, »ganz brav und artig. Angst hast du, Dörr-Giselle, auch wenn du dir nichts anmerken läßt. Aber mehr wirst du wohl nicht rausrücken. Selbst für dich sind drei grüne Riesen nicht dasselbe wie drei Rubel. Wie lange haben wir uns nicht gesehen? Acht Jahre? Da ist viel Wasser ins Meer geflossen, und viel von meinem Blut auch.«
    Die Frau sah zum Fenster hinaus und kniff das rechte Auge zusammen. Der beißende Qualm der billigen »Magna«-Zigarette breitete sich in der unordentlichen kleinen Küche aus.
    »Kind, mit wem sprichst du da?« erklang eine Stimme aus dem Wohnzimmer.
    »Laß mich in Ruhe, Mama«, antwortete die Frau heiser und matt. »Mit niemandem.«
    Das Telefon, das auf dem Küchentisch stand, läutete, und die Frau fuhr zusammen.
    »Ich hab dir gesagt, ruf mich nicht mehr an. Kapiert?« fauchte die Frau leise in den Hörer, als sie am anderen Ende der Leitung die bekannte Stimme hörte. »Ich hab keine Lust mehr, mit dir zu reden … Warum?! Weil du ein Miststück bist, darum … ja … nein … ja, natürlich, such dir eineandere Dumme! Ich hab dir ja auch geglaubt! Das Spiel ist aus … nein, hab ich gesagt …«
    Eine ältere, füllige Frau mit dem gleichen kurzen hellblonden Haar schaute in die Küche.
    »Kind, soll ich dir etwas Suppe aufwärmen? Es ist noch Hühnersuppe mit Nudeln da. Ich wollte jetzt essen. Ißt du mit?« fragte sie rasch, flüsternd.
    »Mama, ich hab dir gesagt, geh weg!« schnauzte die junge Frau sie an und bedeckte den Hörer mit der Hand.
    Die ältere Frau fluchte leise und verschwand.
    »Was sagst du, wieviel?« Die junge Frau nahm das für einen Moment unterbrochene Gespräch wieder auf. »Zweitausend? Aha, natürlich, ich hab das ganze Risiko und soll für zwei Grüne den Mund halten? Für lächerliche zweitausend? Als ob du nicht wüßtest, daß die Operation fünf kostet, dazu kommt noch eine Woche Krankenhaus, das heißt, ich brauche mindestens sechs … Solange er noch lebte, war das was anderes. Es interessiert mich nicht, ob du es warst oder nicht. Aber das mußte nicht sein, wirklich nicht. Deine Gründe kann ich mir denken. Für dich muß immer was dabei herausspringen …«
    Die Frau drückte die Zigarette aus, hustete schwer und steckte sich, den Hörer mit dem Ohr an die Schulter gepreßt, sofort die nächste an.
    »Nein, nicht zweieinhalb. Drei. Ist mir egal, woher! Das ist nicht mein Problem. Wenn du willst, daß ich schweige – dann besorg das Geld … ja … nein … gut, um zehn, am Haushaltswarengeschäft.«
    Sie legte auf, und sofort klingelte das Telefon erneut. Diesmal sprach sie ganz anders, gurrte zärtlich, kokettierte, dehnte schmachtend die Vokale.
    »Natürlich komme ich, ich hab es doch versprochen … Aber es kann spät werden … ich weiß nicht, so gegen zwölf … du bist doch nicht etwa eifersüchtig? Ich hab was zu erledigen. Eine sehr, sehr wichtige Sache … Nun hör aberauf, ich laufe dir schon nicht weg, wohin auch? Sei nicht böse, Wowtschik, du bist doch ein kluger Junge … Ich erzähl’s dir später … Also mach’s gut, Küßchen.«
    Sie legte auf, erhob sich schwer vom Hocker und ging mit schlurfenden, fast greisenhaften Schritten ins Bad, um sich endlich herzurichten. Sie hatte sich heute noch nicht gewaschen und gekämmt. Sie durfte sich nicht mehr so gehenlassen. Noch konnte alles wieder gut werden, das Leben lag noch vor ihr. Andere sterben unter Qualen, sie aber hatte überlebt.
    Sie fuhr sich mit der Massagebürste durchs Haar. Ein ganzes Büschel blieb in der Bürste hängen. Die Haare gingen immer noch in ganzen Strähnen aus. Chemotherapie, Bestrahlungen. Manche Patienten werden völlig kahl. Im Onkologiezentrum hatte sie kleine Mädchen mit billigen, schlechtsitzenden Perücken gesehen, kleine Greisinnen mit aufgedunsenen, erdig-grauen Gesichtern. Auch sie hatte bis jetzt diese Gesichtsfarbe. Und die Aufgedunsenheit würde wohl nie mehr verschwinden. Aber es gab Schlimmeres. Sie konnte am Leben bleiben. Wenn sie nur Geld hätte.
    Das

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