Club Kalaschnikow
nirgends war eine Absicherung zu sehen.
»Die Krestowskaja macht alle Stunts selber, die braucht keine Kaskadeure«, flüsterte der Wachmann ihm zu.
»Klasse macht sie das«, bestätigte Kusmenko, »und auch schießen kann sie wie ein Profi. Gibt es keine Absicherung?«
»Ein Sicherheitsseil, aber das hat mehr psychologischen als praktischen Nutzen.«
»Stopp, vorbei! Klappe!« schrie der Regisseur heiser ins Mikrofon. »Super, Margarita. Das hast du großartig gemacht.«
Die Krestowskaja stieß sich von der Wand ab und sprang gewandt auf die Plattform zum Kameramann, zog sich die Lederkappe vom Kopf und schüttelte schwungvoll die feuerrote Mähne. Sie fuhren nach unten.
»Guten Tag, Margarita Jewgenjewna.« Kusmenko stellte sich vor und zeigte seinen Ausweis. »Ich habe einige Fragen an Sie.«
»Ja, natürlich.« Sie lächelte bezaubernd und ein wenig traurig. »Es ist sicher wegen des Mordes an Gleb? Möchten Sie einen Kaffee?«
Sie setzten sich auf ein paar herumliegende Bretter, und Margarita zog aus ihrer riesigen Ledertasche eine Thermoskanne.
»Haben Sie Gleb Kalaschnikow gut gekannt?« fragte der Major.
»Tja, wie soll ich es sagen?« Sie reichte ihm einen Plastikbecher mit schwarzem Kaffee. »Offen gestanden, besonders warm und herzlich war unsere Beziehung nicht. Er konnte mir nicht verzeihen, daß seine Mutter verlassen worden war. Sie verstehen, es war eine schwierige Situation. Was konnte ich ihm sein? Eine Stiefmutter? Lächerlich … Ich bin zehn Jahre jünger.«
Von den nahen Verwandten war Margarita Krestowskaja der einzige Mensch, der ruhig und emotionslos über das Privatleben von Gleb Kalaschnikow sprechen konnte. DieMutter, Nadeshda Petrowna, war in einem schlechten Zustand, die Ärzte hatten gebeten, sie bis zur Beerdigung nicht zu beunruhigen. Der Vater, Volkskünstler und Abgeordneter der Duma, hatte telefonisch erklärt, er fühle sich krank, sein Herz mache ihm zu schaffen, und ebenfalls darum gebeten, ihn einige Tage in Ruhe zu lassen.
Die Ehefrau, Jekaterina Filippowna Orlowa, hatte allerdings ihre Zeugenaussagen ruhig und vernünftig gemacht. Doch mit ihr konnte man über vieles nicht sprechen. Es wäre beispielsweise taktlos gewesen, sie auf die Sauftouren und Weibergeschichten Kalaschnikows anzusprechen – und wohl auch zwecklos. In solchen Fragen ist die Ehefrau nicht die kompetenteste Person.
Trotzdem war es aber unumgänglich, über die Damen, mit denen der reiche Casinobesitzer und Playboy sich ständig hinter ihrem Rücken getroffen hatte, zu sprechen. Der Untersuchungsführer Tschernow und auch Major Kusmenko selbst schlossen keineswegs aus, daß eine von ihnen mit dem Mord zu tun hatte.
Kalaschnikow hatte keine engen Freunde, kannte aber halb Moskau. Es hieß, er habe seine Frau nach Strich und Faden betrogen und sei bei seinen Abenteuern nicht wählerisch und sehr unbeständig gewesen, aber konkrete Namen wurden nicht genannt.
Von mehreren Leuten hörte Kusmenko, daß Gleb im letzten halben Jahr eine gewisse Olga gehabt habe, als »einzige, glühende Leidenschaft«, wie es bei Lermontow heißt. Den Nachnamen dieser Olga konnte ihm niemand sagen. Sie sollte etwa zwanzig sein und außergewöhnlich hübsch, wahrscheinlich eine Studentin. Gleb war mit ihr fast nie in der Öffentlichkeit erschienen. Daraus konnte man vorläufig nur einen vorsichtigen Schluß ziehen: die unbekannte Olga war ein verschlossener und ungeselliger Mensch. Kalaschnikow liebte Trubel und Gesellschaft und konnte es nicht ertragen, allein zu sein. Mit seinen früheren Flammenwar er überall aufgetaucht, bei allen prestigeträchtigen Premieren und Präsentationen, in allen exklusiven Clubs.
Um keine Zeit zu verlieren, beschloß der Major, Margarita direkt zu fragen. Sie hatte auf ihn sofort den Eindruck eines ehrlichen, ruhigen und besonnenen Menschen gemacht. Wenn sie etwas über diese Olga wußte, würde sie es sagen.
»Olga Guskowa ist eine ehemalige Klassenkameradin von mir«, erklärte Margarita. »Ja, sie hatte ein Verhältnis mit Gleb. Ich glaube, kennengelernt haben sie sich vor acht Monaten, im letzten Winter. Sie haben augenblicklich beide den Verstand verloren.«
»Das heißt?«
»Sie haben sich sofort ineinander verliebt, im Chor sozusagen. Er sich in sie und sie sich in ihn.«
»Wußte seine Frau von dieser Beziehung?« fragte Kusmenko rasch.
»Ich denke, sie hat es geahnt.«
»Von Scheidung war nicht die Rede?«
»Nein.« Margarita schüttelte den Kopf. »Gleb hatte
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