Club Kalaschnikow
Lockerungsübungen. Sie mußte gleich wieder das Seil hinauf. Die Maskenbildnerin ließ sich davon nicht stören und arbeitete weiter an ihrem Gesicht und ihren Haaren.
»Ich warte so lange«, sagte der Major lächelnd, »es macht mir Spaß, bei den Dreharbeiten zuzusehen.«
Wirklich eine tolle Frau, dachte er, für so eine könnte man glatt den Kopf verlieren.
Die Spannung auf dem Drehgelände stieg. Der Heldin waren die Patronen ausgegangen. Der Balken, an dem das Tau befestigt war, knackte verräterisch. Noch einen Moment, und die Schöne stürzt in die Tiefe, die Schüsse der Bösewichte treffen sie. Aber da kam der Baggerkran ins Spiel. Im Führerhäuschen saß der Held. Er schwenkte den Kran, und im letzten Moment packte Margarita geschickt den Haken und hielt sich fest.
»Aus!« rief der Regisseur freudig. »Ich danke allen!«
Der Major mußte noch eine ganze Weile warten, bis Margarita sich in einer der Baubuden umgezogen hatte.
»Entschuldigen Sie, daß ich Sie habe warten lassen. Darf ich Ihnen einen Vorschlag machen?« sagte sie fröhlich zu Kusmenko. »Ich bin hungrig wie ein Wolf. Gleich um die Ecke gibt es eine ausgezeichnete Grillbar. Lassen Sie uns zusammen essen, dabei können wir unser Gespräch fortsetzen.«
Sie bekamen den letzten freien Tisch. Kusmenko merkte, wie alle Männer ohne Ausnahme Margarita anstarrten, und dachte einen Augenblick – wenn das mein Mädchen wäre. Aber dann wies er sich sofort zurecht: Sie ist eine Zeugin.Ich darf nicht den Kopf verlieren. Und außerdem bin ich verheiratet und Vater von zwei Kindern.
»Entschuldigung.« Der Kellner hatte die Bestellung schon entgegengenommen, stand aber immer noch an ihrem Tisch und trat verlegen von einem Bein aufs andere. »Sind Sie Margarita Krestowskaja?«
Der junge Spund starrte Margarita mit kindlicher Begeisterung und Ergriffenheit an.
»Ja«, lächelte sie, »die bin ich.«
»Sie sind ja in Wirklichkeit noch viel schöner! Ich hab neulich einen Ihrer Filme auf Video gesehen, ›Blutige Jungs‹, der Film war, entschuldigen Sie, Mist, aber Sie …« Er kniff vielsagend die Augen zu und schnalzte mit der Zunge. »Ist es wahr, daß Sie alle Stunts selber machen?«
»Ja, das stimmt.«
»Werden Sie oft erkannt?« fragte Kusmenko, als der Kellner gegangen war.
»Nicht allzuoft«, sagte Margarita lächelnd.
»Ist Ihnen das angenehm?«
»Ja, natürlich. Schauspieler sind eitle Menschen.«
Der Kellner tauchte wieder auf und verteilte rasch und elegant das Besteck auf dem Tisch.
»Verzeihen Sie, dürfte ich Sie um ein Autogramm bitten?« Er reichte Margarita ein nagelneues Buch mit knallbuntem Einband.
Auf dem Cover prangte ein Farbfoto von Margarita, das sie bis zur Taille zeigte, mit wehendem Haar und in einem schwarzen, schulterfreien Abendkleid. In der Hand hielt sie eine kleine Pistole.
»Kusma Gljukosow. Das treue Herz einer Hure«, las der Major.
»Das hat gerade noch gefehlt«, brummte Margarita kopfschüttelnd vor sich hin, »der Film ist noch nicht abgedreht, noch nicht einmal geschnitten, und die haben nichts Eiligeres zu tun, als ihr Meisterwerk mit neuem Umschlag herauszubringen.Ganz schön dreist.« Sie lächelte spöttisch. »Und keinem von uns sagt man ein Wort davon, weder dem Kameramann noch dem Regisseur noch mir … Das ist ein Foto aus dem Filmmaterial, das wir gerade drehen«, erklärte sie dem Major.
»Wie heißen Sie?« wandte sie sich mit liebenswürdigem Lächeln an den Kellner.
»Wjatscheslaw. Oder einfach Slawik.«
»Für Slawik, zur Erinnerung«, kritzelte Margarita auf das Titelblatt und setzte eine elegante, schwungvolle Unterschrift darunter.
»Ich werde Simonowitsch sagen, daß er mich für diese Art von Reklame extra bezahlen muß«, lachte sie.
»Simonowitsch? Wer ist das, der Verleger?«
»Der Autor. Besser gesagt, einer der fünf Autoren, die diese Machwerke unter dem Pseudonym Kusma Gljukosow zusammenschmieren.«
»Sind die Bücher denn wirklich so schlecht?« fragte Kusmenko.
»Der letzte Dreck. Literatur wie der Ramsch aus China, der auf den Trödelmärkten verhökert wird. Als ich mal versucht habe, Gljukosow zu lesen, habe ich mich gefühlt, als hätte ich Stiefel gekauft, bei denen schon nach zwei Tagen die Sohlen abgehen.«
Schwer vorstellbar, daß eine Margarita Krestowskaja billigen Chinaramsch auf dem Trödelmarkt kauft, dachte der Major.
»Wir hatten davon gesprochen, daß die Frau von Kalaschnikow in letzter Zeit anonyme Anrufe erhielt und bedroht
Weitere Kostenlose Bücher