Club Suizid: Ein lustiger Roman über ein weniger lustiges Thema (German Edition)
das nicht erzählt?“
Entgeistert schaute ich Rana an. „Was für einen Artikel denn? Du hast mir gesagt, du bist hier, weil dich deine Freundin verlassen hat. Ich dachte, du wolltest hier Selbstmord begehen!“
„ Ja, das mit meiner Freundin stimmt auch. Aber deswegen will ich mich doch nicht umbringen. Nein, ich bin beruflich hier. Mein Chef hat diese Broschüre zugeschickt bekommen und mich gefragt, ob ich darüber was schreiben will. Ich habe eine Woche Zeit und soll herausfinden, was hier los ist. Erst dachte ich, ich könnte vielleicht über dich schreiben, so eine Art Bericht über deine letzte Woche, weißt du, aber als ich gemerkt habe, dass du dich gar nicht wirklich umbringen willst, habe ich angefangen, die anderen Gäste auszuhorchen. Aber irgendwie komme ich nicht weiter. Von denen scheint keiner so richtig suizidal. Oder hast du es dir nochmal anders überlegt?“
Ich war fassungslos. „Bitte wie? Du willst, dass ich mich umbringe, damit du darüber einen Artikel schreiben kannst? Verstehe ich das jetzt richtig? Und die ganze Zeit hast du dich nur mit mir unterhalten, weil du dachtest, ich wäre der ideale Todeskandidat? Du wolltest mich aushorchen?“
Bei meinen letzten Worten war ich aufgestanden. Rana sah mich erschrocken an. Dann bemerkte ich, dass sie gar nicht mich ansah, sondern irgendetwas schräg hinter mir fixierte.
Ich drehte mich um und sah meinen Saunapartner von vorhin vor mir.
„ Hi there!“ sagte der. „May I sit down? I don’t mean to intrude. Do you speak English?”
Damit setzte er sich und nahm die Flasche in die Hand, die auf dem Tisch stand. Er nickte anerkennend.
„ May I have some?“
Ich stand noch immer unter Schock und wusste im Moment mit meinem neuen Freund überhaupt nichts anzufangen. Aber Ranas journalistischer Instinkt reagierte sofort und sie reichte unserem Zimmernachbarn ein Glas: „Sure. Help yourself!“
„ Thanks. I’m Brian.“
Und so kam es, dass Brian uns sein ganzes Leben erzählte, während die Flasche Rum immer leerer und Brian immer trauriger wurde. Von uns nahm er kaum Notiz, so dass Rana schließlich ganz unbeschwert ihren Stift zückte und mitschrieb.
Kapitel 15
Brian war der älteste Sohn von wohlhabenden Eltern aus Maryland, USA. Er hatte an der Columbia University Jura studiert und nach seinem Abschluss sofort eine Stelle in einer angesehenen Anwaltskanzlei in Washington DC bekommen. Mit 24 hatte er Helen geheiratet, mit 25 war er Vater geworden. Dann kam noch ein Kind, und noch eins. Die Familie brauchte mehr Platz und in der Nähe von Alexandria fand Brians Frau ihr Traumhaus. Ein altes Holzhaus aus dem 18. Jahrhundert, das nach hinten hin einen modernen Anbau hatte, der die Wohnfläche verdreifachte. Natürlich gab es einen Swimmingpool, eine Garage für drei Autos, und ein großes Grundstück. Sie wollte es unbedingt. Also nahm Brian einen Kredit auf. Trotz seines enormen Gehalts musste die Familie jetzt kürzer treten, um die Hypothek abzahlen zu können. Diese Notwendigkeit war leider seiner Frau nicht nahezubringen. Sie bestand auf teuren Privatschulen für die Kinder und der Mitgliedschaft im Country Club. Brian lieh sich Geld von seinen Eltern. Doch die hatten bei den Börsentalfahrten nach der Lehman-Pleite einen großen Teil ihrer Ersparnisse verloren. Dann verlor Brians jüngerer Bruder seinen Job als Börsenmakler und die Eltern wollten das Geld zurück, dass sie Brian geliehen hatten, um dem jüngsten Sohn zu helfen. Brian hielt den Stress kaum aus. Er begann eine Affäre mit einer Kanzleiangestellten. Die wurde schwanger. Helen bekam davon Wind und holte sich Rat bei Brians bestem Freund. Aus den Beratungsterminen wurden Schäferstündchen, und schließlich reichte sie die Scheidung ein. Brians bester Freund nahm Helen bei sich auf und bezahlte fortan auch die Privatschulen der Kinder. Das war zwar eine Erleichterung, aber dafür verklagte Helen ihn jetzt auf Unterhalt. Brian zog in eine kleine Wohnung in der Nähe von Dupont Circle und engagierte einen Immobilienmakler, um sein Haus zu verkaufen. Doch die Angebote deckten noch nicht einmal den Restbetrag von dem ab, was er noch der Bank schuldete. In der Zwischenzeit hatte Brian begonnen, die langen Arbeitsstunden im Büro mit der Hilfe von kleinen Cocktails erträglicher zu machen. Bei einer Morgenbesprechung roch sein Chef den Alkohol in seinem Atem und zitierte ihn in sein Büro. Dort stellte er ihn zur Rede. Er wusste von der Affäre mit der
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