Club Suizid: Ein lustiger Roman über ein weniger lustiges Thema (German Edition)
dem Hinweis, dass zur Zeit keine Sterbehilfe angeboten werden könne. Trotzdem rissen die Anfragen nicht ab.
„ Und was ist mir dir? Rana hat erzählt, du bist wegen des Angebots angereist? Und hast jetzt beschlossen, doch nicht zu sterben? Wie geht es dir denn dabei?“ wollte Michael wissen.
Ich beschloss, das zu tun, was anscheinend alle tun, wenn ihnen eine Frage unangenehm ist, und antwortete mit einer Gegenfrage: „Wie ist es denn bei dir? Du musst ja jetzt auch erst einmal umdenken und den Tod zumindest ein oder zwei Wochen aufschieben.“
„ Ja, schon doof. Aber ich habe mich entschlossen, das Beste draus zu machen und den Urlaub zu genießen.“
Michael machte überhaupt keinen niedergeschlagenen Eindruck und ich stellte wieder einmal fest, dass Selbstmordgefährdete nicht unbedingt den Eindruck vermitteln, als würden sie gleich von der Brücke springen wollen.
„ Also kommt, wir sind jetzt hier, lasst uns die Zeit genießen!“ pflichtete Rana ihrem neuen Freund bei. „Wie wäre es, wollen wir auf einen Drink rüber ins andere Hotel?“
Ich hatte schon Lust, was zu trinken, aber ich hatte heute schon genug gerudert, fand ich. „Wollen wir nicht ein Taxi bestellen und mal in die Stadt fahren auf die andere Seite der Insel? Da gibt es doch bestimmt auch eine gute Bar.“
„ Mensch Mattes, Superidee! Komm, lass uns das machen. Michael, bist du dabei?“
„ Klar! Aber wie viel kostet denn so ein Taxi? Das ist doch eine lange Fahrt, oder?“
„ Egal, das zahle ich“, bot ich großzügig an. „Ich frage Devi, ob sie mitwill, okay?“
„ Da ich immer noch nicht wusste, in welchem Zimmer sie wohnte, ging ich an die Rezeption und bat Henry, sie anzurufen.
„ Es meldet sich niemand. Vielleicht schläft sie schon?“
„ Schade. Wir überlegen gerade, ob wir in die Stadt fahren, etwas trinken. Sie hätte bestimmt auch Lust gehabt.“
„ Na ja, es ist schon spät, und vielleicht hat sie auch noch Jetlag. Wie wollt ihr denn da hinkommen?“
„ Mit dem Taxi. Gibt’s doch sicher, oder?“
„ Ja, aber ich könnte euch auch fahren. Es gibt ein nettes Lokal, das würde euch gefallen.“
„ Klasse Idee, Henry, komm mit und wir machen einen drauf!“ sagte Rana, die zu uns getreten war und Henrys letzten Satz gehört hatte. „Du kennst doch bestimmt die besten Clubs!“ setzte sie mit einem Augenzwinkern hinzu.
Ich war noch immer hin und her gerissen, ob ich Devi nicht wecken sollte, entschied aber, dass sie für ihre Verhältnisse schon sehr viel erlebt hatte und wahrscheinlich gar nicht hätte mitkommen wollen. Ich ließ sie schlafen.
Henry fuhr den Jeep und lenkte den Wagen auf halber Strecke auf einen Aussichtspunkt, der auf einem Felsen über das Meer ragte. Wir stiegen alle aus und folgten ihm. „Hier sind wir am östlichsten Punkt der Karibik! Wenn wir von hier aus in See stechen würden und ungefähr 5000 km lang immer genau gen Osten führen, würden wir im Senegal ankommen!“ erklärte er.
Mit ausgestreckter Hand zeigte er auf einen imaginären Punkt am anderen Ende der Welt. Die riesige Weite des Atlantiks verlor sich im Dunkeln und jagte mir einen Schauer über den Rücken. Wie klein ich war, wie unbedeutend, wie verloren. In diesem Moment hatte ich eine weitere Erleuchtung: Mein Ärger über das Leben wurzelte in dem etwas kindischen, aber tief verwurzelten Glauben, dass die Welt sich um mich drehte, dass alles mit mir zu tun hatte. Ich nahm alles persönlich: den unfreundlichen Kellner, das schlechte Wetter, den Stau auf der Autobahn, die Wirtschaftskrise. Dabei machte die Welt keinen Finger krumm für mich. Wenn ich nicht weggespült werden wollte wie das nächste Sandkorn, dann müsste ich selbst mich darum kümmern, meinem Leben einen Sinn zu geben.
Die anderen hatten vielleicht ähnliche Gedanken, denn niemand sagte ein Wort.
Bis Michael fragte: „Henry, ist das Bier auch richtig kalt, da wo wir hinfahren?“
Eine Stunde später saßen wir zu viert in einer kleinen Spelunke, in der sonst nur Einheimische saßen. Das Bier kostet umgerechnet nur einen Euro, Cocktails drei. Aus den Lautsprechern wummerte brasilianische Musik und einzelne Paare drängten sich auf der Tanzfläche. Offensichtlich traf sich hier alles, was gerne Party machte, die Geschlechter mischten sich in allen möglichen Variationen. Rana war bald auf der Tanzfläche verschwunden und wenig später sah ich, wie eine andere Frau ihre Hüften umfasste und ihr lachend etwas ins Ohr flüsterte. Michael
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