Coaching - Eine Einfuehrung fuer Praxis und Ausbildung
Phänomene.
1.1 Zur »richtigen« Zielbestimmung
Ein Credo dieses Coaching-Ansatzes lautet: »Der Klient weiß selbst am besten, welche Ziele er verfolgt.« Ein anderes aber
lautet: »Es ist Aufgabe eines qualifizierten Coach, Klienten bei einer möglichst sinnvollen Zielfindung zu unterstützen.«
Wie ich in zahlreichen Beispielen gezeigt habe, ordnen Klienten alle ihre beruflichen Erfahrungen auf dem Hintergrund einer
je spezifischen Horizontstruktur zu. Aus dieser ergeben sich Problemformulierungen, Handlungsorientierungen und dementsprechend
auch Zielbestimmungen. So wie der Horizont für die Bewältigung bestimmter Anforderungen eingeschränkt sein kann, liegen vielfach
auch bei den Zielperspektiven Einschränkungen vor. So gilt es, schon im Erstgespräch die je spezifischen Zielperspektiven
von Klienten zu sichten, zu präzisieren und im Dialog eventuell durch alternative Zieloptionen anzureichern. Dieser Zielfindungsprozess
gestaltet sich je nach dem Setting des Coaching unterschiedlich komplex.
Einzel-Coaching
Wenn einzelne Führungskräfte um Coaching anfragen, ist anlässlich der Eingangsdiagnostik in einem ersten Schritt zu klären,
ob sie das Coaching im Sinne einer Expertenberatung oder im Sinne einer Prozessbegleitung akzentuieren wollen.
Viele Manager aus sozialen Dienstleistungssystemen suchen um Coaching an, weil die von ihnen geleitete Einrichtung »nicht
mehr so richtig läuft« oder weil »es viel Ärger mit dem Träger« gibt. Was sie zunächst nur vage umschreiben können, erweist
sich im Verlauf des Erstgesprächs oft als Mangel an faktischen Managementkompetenzen. Aufgrund ihrer je spezifischen Sinnsysteme
sind sie selten in der Lage, derartige Zielsetzungen von sich aus zu artikulieren. Wenn sie aber ihre Situation in der Einrichtung
einer ersten Rekonstruktion unterziehen, |311| fällt ihnen meistens schon auf, welche Aufgabenvielfalt sie zu versehen haben und wie unvollkommen sie auf diese vorbereitet
sind. Dann »verwandelt« sich oft die ursprüngliche Intention, die meistens auf eine allgemeine Prozessberatung ausgerichtet
war, in Bedürfnisse nach fachlicher Beratung.
Neben solchen grundlegenden Zielentscheidungen sind im Erstgespräch auch andere zu treffen. Wie im Zusammenhang mit Coaching-Themen
schon deutlich wurde, tritt jede Berufs- und Feldgruppe mit je spezifischen Problemformulierungen in die Beratung ein, die
sich aber bei genauer Analyse ihrer beruflichen Situation als mehr oder weniger treffend oder sinnvoll erweisen. In diesem
Zusammenhang ist es eine zentrale Aufgabe von Beratern, anhand der Rekonstruktion des Berufsfeldes von Klienten die potenziellen
Zieloptionen von Coaching aufzufächern und dem Klienten Unterstützung zu geben, die für ihn treffendsten Ziele bzw. Zielbündel
zu bestimmen.
Gruppen-Coaching
Im Gruppen-Coaching gestaltet sich die Zielbestimmung meistens schon beim Erstkontakt variabler als zu Beginn eines Einzel-Coachings.
Hier treffen ja mehrere Menschen mit je unterschiedlichen Zielvorstellungen aufeinander. Wenn sie sich diese gegenseitig mitteilen,
erhält jeder Einzelne eine gewisse Breite von Zieloptionen vorgeführt, die seine eigene Zielpalette automatisch bereichern.
So ergeben sich im Gruppen-Coaching regelmäßig relativ breite Zielhorizonte, aus denen der Einzelne nun flüssig die für ihn
»richtigen« auswählen kann.
Team-Coaching
Komplizierter stellt sich die Zielbestimmung beim Team-Coaching dar. Hier trifft ja der Berater auf eine kooperierende Arbeitsgruppe,
die in der Regel schon vor Beginn der Beratung ein kollektives Sinnsystem mit einem je spezifischen Set von Problemformulierungen
und dementsprechenden Zielvorstellungen entwickelt hat. Diese Ziele werden dann natürlich auch dem Berater präsentiert. Bei
Rekonstruktionen der Ist-Situation und des Teamprozesses zeigen sich hier meistens etwas stereotype Positionen, die auch die
Zielbestimmungen fürs Coaching einfärben. Sie sollte der Berater als solche erfassen und benennen. Das Offenlegen derartiger
Festlegungen löst allerdings gelegentlich den kollektiven Widerstand |312| eines Teams aus, sodass die Beratung eventuell gar nicht mehr zustande kommt (
Merry, Brown
1987).
Die Verwaltungsabteilung eines Krankenhauses hatte die Vorstellung entwickelt, dass ihr Beitrag von den übrigen Gruppierungen
des Hauses chronisch unterbewertet werde. Die Mitarbeiter bezogen aus dieser Definition die
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