Coaching - Eine Einfuehrung fuer Praxis und Ausbildung
Berechtigung, anfallende Arbeiten
oft zu verschleppen und darauf folgende Beschwerden als unangemessen zurückzuweisen. Im Rahmen eines größeren Reorganisationsvorhabens
der Klinik sollte auch diese Abteilung Coaching erhalten. Beim Erstkontakt mit ihrem Coach präsentierten die Mitarbeiter fast
geschlossen das Ziel, endlich in der Klinik die »richtige« Anerkennung zu finden. Durch ihre kollektiv verfestigte paranoide
Haltung bedurfte es einer erheblichen Anstrengung seitens des Coach, das Team für alternative Zielsetzungen zu interessieren.
Jeder Hinweis, dass es auch um die generelle Verbesserung der Relationen zwischen den unterschiedlichen Abteilungen gehen
könne, wehrten sie zunächst fast einstimmig ab. Erst als es dem Coach gelang, ihnen überzeugend darzustellen, dass derartige
Zielsetzungen für die Reorganisation der gesamten Klinik maßgeblich waren, erklärten sie sich zwar immer noch etwas zögerlich
zur Auseinandersetzung mit neuen Zielvorstellungen bereit.
Zielreflexionen in der Eingangsphase sind beim Team-Coaching besonders relevant. Der Berater gerät nämlich anderenfalls »kopflos«
in den »Zielsumpf« des Kollektivs und macht sich unreflektiert zum Komplizen inadäquater Intentionen.
1.2 Zur Bestimmung des »richtigen« Settings
So wie viele Klienten die Vielfalt von Zieloptionen nicht übersehen können, sind sie auch meistens nicht in der Lage, Sinn
und Bedeutung eines jeweiligen Settings einzuschätzen. Hier ist es ebenfalls Aufgabe des Beraters, bei der Auswahl der richtigen
Anordnung behilflich zu sein. Das gilt übrigens auch für Verhandlungen mit Agenten von Personalabteilungen. So geschieht es
gar nicht selten, dass zuständige Mitarbeiter vom »Segen« des Coaching in einem bestimmten Setting gehört oder gelesen haben
und nun für jedweden Anlass externe Berater für die eine immer gleichbleibende Anordnung zu engagieren suchen. Wo ursprünglich
Einzel-Coaching angefragt wurde, erweist sich aber oft eher Gruppen- oder Team-Coaching als sinnvoll und umgekehrt. Manchmal
sind sogar Kombinationen verschiedener Settings zu empfehlen.
|313| Wie das nachfolgende Beispiel zeigt, lassen sich Empfehlungen für oder gegen ein bestimmtes Setting erst auf dem Hintergrund
einer sorgfältigen Eingangsdiagnostik geben.
Die Personalabteilung eines Zuliefererbetriebs für industrielle Elektronik fragte einen externen Coach für die Beratung einer
ihrer Vorarbeiter an. Dieser Vorarbeiter (er soll hier als »Uwe« bezeichnet werden) galt in den vergangenen Jahren in menschlicher
und fachlicher Hinsicht als so qualifiziert, dass ihm früher als es in dieser Firma normalerweise üblich war, die Position
eines Vorarbeiters übertragen wurde. Nach Ablauf eines halben Jahres sank die Produktivität seiner Abteilung jedoch dramatisch,
und der Vorarbeiter reagierte daraufhin auffallend apathisch und wies plötzlich wegen allerlei körperlicher Beschwerden höhere
Fehlzeiten auf, wie sie bei ihm bislang noch nie zu beobachten waren.
Der Coach bat nun im Rahmen eines Vorkontraktes mit der Firma um eine zweistündige Sitzung mit dem Vorarbeiter. In dieser
Sitzung beabsichtigte er, die Ist-Situation des Vorarbeiters und seiner Abteilung sowie seinen bisherigen beruflichen Prozess
und die »Geschichte der Arbeitsgruppe« zu ermitteln. Auf der Basis der Erstdiagnostik wollte er mit dem Vorarbeiter im Anschluss
an die »richtigen« Ziele vor allem das »richtige« Setting erarbeiten. Schon aufgrund der knappen Informationen der Personalabteilung
entwickelte er nämlich die Fantasie, dass ausschließliches Einzel-Coaching hier vielleicht nicht indiziert sei.
Im Erstgespräch begegnete der Coach einem sportlich wirkenden, ca. 25-jährigen Mann, der zunächst eher förmlich allerlei Daten
über seine Zugehörigkeit zur Firma und über seinen beruflichen Werdegang von sich gab. Als ihn der Coach bat, über seine aktuelle
Situation am Arbeitsplatz zu berichten, begann er, schwer zu atmen, und teilte zunächst einige Fakten mit, wie viele Mitarbeiter
zu seiner Arbeitsgruppe gehörten, seit wann er die Stelle des Vorarbeiters innehatte usw. Erst nach einem erneuten tiefen
Atemzug berichtete er, dass die Produktivität seiner Gruppe in den letzten Monaten deutlich abgefallen sei. Der Berater bat
ihn nun, auf einer Magnettafel alle ihm unterstellten Mitarbeiter durch bunte Magnetsteine zu charakterisieren. Er setzte
zunächst einen großen roten
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