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Coaching - Eine Einfuehrung fuer Praxis und Ausbildung

Titel: Coaching - Eine Einfuehrung fuer Praxis und Ausbildung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Schreyoegg
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aufgabenorientierte Führungsstil des alten Vorarbeiters ein emotionales Vakuum. Dieses konnte Uwe als informeller
     Führer füllen. Er stellte auf diese Weise eine Balance her, mit der alle zufrieden waren. Dem Vorarbeiter diente er als »emotionaler
     Hilfssheriff«, und die Gruppe fühlte sich von Uwe gut vertreten. Auch die Firmenleitung war zufrieden, denn Uwe verhinderte
     ja eine strikte Frontstellung zwischen Gruppe und Vorarbeiter mit allen Konsequenzen von Produktivitätseinbußen. Die Leitung
     erhielt also gewisse Garantien für eine angemessene Leistung. Durch seine Beschäftigung mit Führungsgrundsätzen gelang es
     Uwe sogar, seine informelle, kompensatorische Position zu festigen und quasi zu legalisieren. Und durch seine Möglichkeiten,
     Eskalationen zu mindern, wurde er von allen als charismatischer Führer anerkannt.
    Nach dem Ausscheiden des alten Vorarbeiters und der Übernahme von dessen Position strahlte sein Charisma noch einige Zeit
     weiter, was sich in der vorübergehenden Steigerung der Produktivität und der emotionalen Ausgeglichenheit der gesamten Gruppe
     dokumentierte. Im Weiteren brachen aber gravierende Rollenkonflikte auf. Als formaler Führer musste er die Gruppe jetzt nämlich
     offensiv steuern und kontrollieren, also Rollen übernehmen, die sich mit seinem bisherigen charismatischen Einflusspotenzial
     kaum vereinbaren ließen. Ihm standen allerdings kaum andere Machtfaktoren zur Verfügung. Da er immer noch als »einer der ihren«
     galt, wurde ihm weder Macht im Sinne von Expertentum noch im Sinne von Belohnungs- oder Bestrafungsmacht zugestanden. Er hätte
     sich zwar auf seine neu erworbene legale Machtbasis als »Vorarbeiter« berufen können, das aber verboten ihm seine bislang
     propagierten Führungsgrundsätze und letztlich auch seine menschliche Verankerung in der Gruppe. So fühlte er sich zerrieben
     zwischen den Rollenanforderungen der Gruppe, einer von ihnen zu sein, und den Rollenanforderungen der Geschäftsleitung, eine
     »ordentliche Produktivität zu veranlassen«. Angesichts der aktuellen Situation konnte er aber auch nicht mehr die Vorarbeiterposition
     an die Firmenleitung zurückgeben und sich wieder ins Gruppenensemble »hineinducken«. Das wäre für ihn eine existenzielle Niederlage
     gewesen, die sein gesamtes weiteres Berufsleben negativ eingefärbt hätte. Uwe befand sich also in einer ausgesprochenen Sackgasse.
     
    Als Ziele von Coaching ließen sich jetzt solche für den Vorarbeiter und solche für die Gesamtgruppe herausschälen:
|316| Uwe sollte in dieser existenziell bedrohlichen Situation, in der er sich hilflos und handlungsunfähig fühlte, emotional gestützt
     werden, denn aus seiner Sicht hatte er ja eine schwere Niederlage erlitten. Gleichzeitig sollte er gestützt werden, die Rolle
     als formaler Vorgesetzter in seine bisherige Selbstdefinition besser zu integrieren bzw. seine formale Position im Sinne einer
     legalen Machtbasis zu nutzen. Seine bislang praktizierte informelle Dominanzrolle erlaubte das »Einkuscheln« in die Gruppe,
     seine formale nicht. So brauchte er also auch Hilfen, die neue Einsamkeit zu ertragen. Er sollte außerdem ermutigt und vorbereitet
     werden, der Werksleitung gegenüber die aktuell komplizierte Lage in einigen wesentlichen Punkten offensiv zu vertreten und
     um vorläufige Reduzierung der Soll-Vorgaben für seine Gruppe einzutreten.
Es wäre allerdings nicht adäquat gewesen, die aktuelle Lage Uwe allein »anzudiagnostizieren«. Es handelte sich nämlich um
     Rollenprobleme, die die gesamte Arbeitsgruppe durchsetzten. Im Verlauf der »Gruppengeschichte« wurden Rollenkonfigurationen
     eingeschliffen, die sich angesichts der neuen Situation als untauglich erwiesen. Sie mussten jetzt revidiert werden. Dies
     wiederum könnte nur dann geschehen, wenn die Arbeitsgruppe die Verantwortung für ihre Leistung nicht mehr auf ihren Vorarbeiter
     abwälzte, sondern sich im Rahmen eines kollektiven Prozesses gemeinsam für eine angemessene Leistung und damit für den Erhalt
     ihrer Arbeitsplätze einsetzte.
    Anhand dieser Zielsetzungen schlug der Coach zunächst dem Klienten, sodann der Personalabteilung folgendes Setting vor:
Uwe sollte zunächst fünf Doppelsitzungen Einzel-Coaching als Krisenhilfe von dem Coach erhalten, der schon das Eingangsinterview
     geführt hatte.
Gleichlaufend sollten fünf Doppelsitzungen Team-Coaching mit der gesamten Arbeitsgruppe samt Vorarbeiter angesetzt werden.
     Die ersten drei

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