Coaching - Eine Einfuehrung fuer Praxis und Ausbildung
handhaben; er musste andererseits
lernen, dass die eher fluktuierende Mitarbeit der Unternehmertochter durch ihn nicht zu ändern war, und er lernte sein »eigenes
Business« zu tun, d. h. seine Geschäftsführerposition so zu verrichten, als wenn er keine Assistentin hätte.
In manchen beruflichen Zusammenhängen stellen chronische Belastungen nicht nur die Regel dar, sie bilden als Bestimmung »von
oben« sogar eine erstrebenswerte Norm.
Ein eklatantes Beispiel für einen solchen Zusammenhang ist die Position protestantischer Gemeindepfarrer. Das Anforderungsprofil
der Kirche sieht eine Rollenvielfalt vor, die kein Mensch auch nur annähernd realisieren kann. Das führt regelmäßig zu Formen
von Rollenüberlastung. Diese kann aber auf dem Hintergrund protestantischer Ethik (
Weber
1921) von den betreffenden Pfarrern nicht als »unerfüllbar« eingestanden werden, weshalb sie sich »plagen und mühen«, alle
automatisch auftretenden »Löcher zu stopfen«. Letztendlich bleiben sie aber immer »zur Unvollkommenheit verdammt«, was chronifizierte
Insuffizienzgefühle erzeugen muss. Kompensiert werden diese durch überhöhte Rollenzuschreibungen der Gemeindemitglieder, sodass
manche Gemeindepfarrer zwischen Selbstabwertung und -überhöhung unausgeglichen hin- und herpendeln. Beim Coaching von protestantischen
Gemeindepfarrern geht es dann häufig nicht nur um Fragen |88| , wie sie die verschiedenen Rollen neu gewichten und »sich erlauben« können, interessenspezifische Akzente in ihrer Arbeit
zu setzen; es geht häufig auch darum, wie sie »ihre Mitte« finden, d. h. eine menschlich angemessene Selbstdefinition.
Burnout
Ausbrennen bzw. Burnout (
Aronson
et al. 1983) wird heute als Inbegriff einer »schleichenden Krise« bezeichnet. Es handelt sich dabei um einen physischen und
psychischen Erschöpfungszustand, der von negativen Selbstdefinitionen und negativistischen Haltungen gegenüber der Arbeit
begleitet ist (
Emener
et al. 1982;
Garden
1991 u. a.). Die Symptome bestehen in Gleichgültigkeit gegenüber der Arbeit, in Widerstand, den Arbeitsplatz überhaupt zu
betreten, Schuldgefühlen, sozialem Rückzug und einer Vielzahl von somatischen Beschwerden (
Kaslow, Schulman
1987). Ursachen scheinen in generalisierter Arbeitsunzufriedenheit zu bestehen, im subjektiven Gefühl von Erfolglosigkeit
und vor allem im Eindruck, keine Distanz mehr zur Arbeit zu haben (
Fengler
1992). Was wir schon im Zusammenhang mit akuten Krisen und Stress verhandelt haben, stellt sich beim Burnout verschärfter
dar, d. h. als Zustand, bei dem alle Abwehr zusammengebrochen ist und Gefühle von Aussichtslosigkeit dominieren.
Vom Ausbrennen sind potenziell alle Berufsgruppen betroffen (
Burisch
1989). Was aber in rein monetär orientierten Arbeitszusammenhängen für die Betreffenden und ihr Umfeld oft noch gerade akzeptabel
scheint, nämlich ohne jede Bindung an die Arbeit bis zur Pensionierung oder bis zur Rente vor sich »hinzudümpeln«, das ist
bei allen Arbeitsplätzen, die ein normativ geleitetes Engagement erfordern, eine nur schwer verdauliche Paradoxie. Menschen
in Tendenzbetrieben, wie es etwa Parteien, Gewerkschaften oder Kirchen darstellen, sind schon aufgrund des Dienstauftrags
gehalten, sich für die Intentionen ihres Arbeitgebers zu engagieren. Und auch alle Helferberufe, also Erzieher, Therapeuten,
Ärzte usw., gehen mit ihrer Berufstätigkeit automatisch die Verpflichtung eines mitmenschlichen Engagements ein. Wenn diese
Gruppierungen von Burnout-Phänomenen erfasst werden, trifft sie das voraussichtlich besonders hart, d. h. sie entwickeln stärkere
Insuffizienzgefühle und insgesamt stärkere Symptome, weil ihre Arbeit dann auch tatsächlich jeden Sinn verliert (
McNeely
1992).
|89| Ein Gewerkschaftssekretär aus dem deutschsprachigen Ausland suchte mich auf, weil er seine Arbeit nur noch als »absurd, blödsinnig«
usw. apostrophieren konnte und unter ausgeprägten Rückenschmerzen litt. Sein Boss war im Rahmen eines Bestechungsskandals
»unter die Räder gekommen«, d. h. er konnte überführt werden, mit einem Industriekartell unangemessene Absprachen zuungunsten
der Arbeitnehmer getroffen zu haben. »Was hat gerade der immer getönt, jetzt merke ich erst, alles nur Bluff. Da ist überhaupt
viel zu viel vordergründiges Gerede bei uns«. Ihm war im Verlauf eines Jahres seine gesamte Wertewelt zusammengebrochen. In
den ersten Monaten nach dem
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