Coaching to go
Sie mir raten können. – Haben Sie noch eine Aufgabe, die ich zu Hause machen kann? Ich komm’ zwar immer erst spät vom Job, aber wenn’s hilft, setze ich mich gern auch noch abends hin …«
Uff!
Solange Irene ihr »Ich muss mich ganz doll quälen«-Verhaltensmuster nicht bewusst war, verhielt sie sich konsequent weiter ihrem Muster entsprechend.
Es gab aber noch eine andere Seite in ihr, und die wollte das nicht mehr. Diese Seite hatte mir eine Mail geschrieben.
Ich sprach also mit dieser Seite, fragte sie, wonach sie sich sehnt. Sie lächelte, schaute verträumt nach oben und sagte: »Ich möchte in Zukunft leichter an die Dinge herangehen … mehr genießen …« Sodann verzog sich ihr Gesicht und sie sah mich verzweifelt an: »Ich will mich nicht mehr immer so quälen!!«
Ooops – im zweiten Satz kam die andere Seite wieder zum Vorschein – sie war schon wieder in ihr Muster gerutscht! Das geht schnell …
Nun war ich natürlich von Irene herzlich eingeladen worden, mit ihr gemeinsam herauszufinden, warum das alles so war. Ich hätte mit ihr die wahrscheinlich sehr tief liegenden Ursachen analysieren können, wir hätten eine gründliche Bestandsaufnahme der möglichen Einflüsse durch Personen, die im Zusammenhang mit dem Problem stehen, vornehmen können, und vieles mehr (siehe auch Kapitel »Warum ist das bloß so?«). Mit anderen Worten: Wir hätten uns gemeinsam und miteinander quälen können!
Ich quäle mich und andere aber nicht so gern, und auch Irene war ja eigentlich bei mir, um damit aufzuhören, also schien mir das keine gute Idee zu sein.
Also schickten wir Irenes Quälgeist auf den Spielplatz!
In der Nähe meines Ladens ist nämlich ein Spielplatz, dort würden sich sicher ein paar Mütter finden lassen, die bereit wären, sich ein bisschen von Irenes Quälgeist heimsuchen zu lassen. Hier muss ich kurz ausholen: Ich kenne viele Mütter, die sich gern gequält geben (also: Eine Seite von ihnen tut das jedenfalls). Damit bringen sie unüberhörbar zum Ausdruck, wie würdigungswürdig ihr täglicher Einsatz ist: Schau, wie ich SCHWITZE!! Siehst du, wie KAPUTT ich bin? Tatsächlich – und das meine ich total ernst! – findet das Muttersein immer noch viel zu wenig Anerkennung (sich selbst anerkennen ist ja leider verpönt, siehe Kapitel »Eigenlob stinkt«). Würde man einer Mutter öfter sagen, was für einen tollen Knochenjob sie macht, die Menge der gequält dreinschauenden Mütter würde proportional sinken! Liebe Mütter, ich bin auch eine, ich bin auf eurer Seite, und hiermit würdige ich euch!
Wir schickten also Irenes quälende Seite auf den Spielplatz: Ich stand auf, geleitete die Seite hinaus zur Tür, öffnete sie und wünschte ihr eine schöne Zeit. Als ich zurückkam, sah Irene mich an, als wäre sie der Coach und ich die Klientin.
»So, nun sind wir allein!«, sagte ich, um ihren Eindruck noch zu verstärken. »Was machen wir jetzt?«
Irene schaute mich groß an. Irene grinste. Irenes Grinsen wurde breiter. Und dann platzte sie mit einem Lachen heraus, das ich bei ihr nicht vermutet hätte. Minutenlang, so schien es, schüttelte sie sich vor Lachen. Ich schwöre – es war so, als hätte ich die schwere, quälende Seite wirklich weggeschickt, und nun saß da die leichte Irene und lachte sich schlapp. Ich sagte ihr das und sie sagte: »So kommt es mir auch vor. Sehr merkwürdig!« Und dann lachte sie wieder.
Wir unterhielten uns anschließend noch sehr gut – mit der leichten Seite von Irene. Wir haben sie nach ihren Bedürfnissen gefragt, wir haben sie gewürdigt und uns überlegt, wie Irene sie in Zukunft mehr würdigen könnte, ganz konkret. Als der Quälgeist zurückkam, hatte er keine Chance, gegen Irenes gute Laune etwas auszurichten. Quietschvergnügt nahm sie ihre quälende Seite in Empfang und war sehr bereit, auch diese unangenehme Seite ihres Menschseins zu würdigen. Das ist wichtig! Schließlich gehören sie beide untrennbar zusammen. Und genau weil das so ist, wirkt eine Seitentrennung auf Zeit manchmal wahre Wunder. Das ist wie in einer echten Beziehung! Es kommt dabei natürlich darauf an, wie man diese Zeit gestaltet.
Schicken Sie die Seite in Ihnen, die Sie quält, ärgert, nervt … aus dem Zimmer. Oder in eine Zimmerecke, wenn Sie sie noch aus der Ferne sehen möchten. Beschäftigen Sie sich bewusst mit der Seite, die Sie jetzt stärker in sich spüren möchten: Was möchte diese Seite mehr haben? Was braucht sie gerade?
Ich bin sicher, sie
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