Coaching to go
Teil der deutschen Kultur ist, dass es völlig normal ist, sich permanent und über alle Maßen von morgens bis spätabends anzustrengen – bis die Flamme kleiner und kleiner brennt, aus dem letzten Loch, und schließlich erlischt.
Kennen Sie die Geschichte von Sisyphos? Das ist, vereinfacht gesagt, die Geschichte über einen alten Griechen, der mit viel Kraft einen großen Stein einen Berg hinaufrollte – um ihn dann wieder herunterrollen zu lassen, um ihn dann – Sie ahnen es – wieder mühevoll auf die Bergspitze zu katapultieren. Ganz schön anstrengend!
Eine moderne Sisyphos-Variante kann man im Radio hören.
Mein Sohn hört frühmorgens Radio, und so blieb es mir nicht erspart, eines Morgens den Moderatoren dabei zuzuhören, wie sie bereits an einem Mittwoch tröstend verkündeten, es seien es ja nur noch zwei Tage bis zum Wochenende. Wie schrecklich muss das (Arbeits-)Leben sein, wenn man bis zum Wochenende vertröstet werden muss!
Manchmal hört mein Sohn auch mittags Radio, und dann werde ich Zeuge, wie sogar die Stunden bis zum Arbeitsende gezählt werden: Nur noch vier Stunden im Büro, drei, zwei, eins – mein ist der Feierabend!
Wahrlich, es muss die Hölle sein, das Leben zwischen dem Montagmorgen und dem Freitagnachmittag, zwischen morgens und nachmittags! Und wenn dann das Ende des Schreckens in Form eines Wochenendes naht, kann man sich prima gegenseitig bejammern: War das wieder eine anstrengende Woche!
Aber, ach, der Feind steht schon wieder vor der Tür, der Montag, denn Sonntagabend ist’s und das Ganze geht wieder von vorne los: Stein hochschieben, runterrollen lassen, wieder hochschieben …
Nun gab es bislang in jedem Kapitel ein paar Tipps oder eine Übung zu dem Thema, und so möchte ich Ihnen auch in diesem wenn auch etwas anderen Kapitel eine Übung mit auf den Weg geben:
Haben Sie Spaß an dem, was Sie tun!
Und wenn es Ihnen keinen Spaß macht – ändern Sie es. Doch, das geht öfter, als Sie denken. Vielleicht nicht sofort, haben Sie Geduld und glauben Sie daran, dass es möglich ist. Nehmen Sie sich Zeit für sich, für Ihre Wünsche. Fragen Sie sich, wofür Sie das alles machen.
Bedenken Sie: Auf dem Sterbebett hat noch niemand gesagt, er hätte sich im Leben mehr anstrengen sollen.
25. Ich stolpere von einem Desaster ins nächste!
Ein Desaster ist eine – zunächst gefühlte – Katastrophe. Die Person – nennen wir sie Martina – erlebt, fühlt es so – aber ist es eine? Das hängt davon ab, was genau eine Katastrophe in Martinas Leben bedeutet. Für sie ist vielleicht ein verpasster Bus schon eine oder die Teesorte, die ausgerechnet heute ausverkauft ist, obwohl sie doch extra dafür in die Stadt gefahren ist!
Jetzt könnte man Martina entgegenhalten: »Na ja, also weißt du – eine Katastrophe, das ist ein Tsunami oder ein Atomreaktor-Unfall, aber doch kein verpasster Bus!« Könnte man, und so falsch wäre das nicht, aber dann würde man außer Acht lassen, dass sie es als genauso katastrophal empfindet, obwohl sie ihren Tee wahrscheinlich nicht in einem Krisengebiet kauft. Das ist ihre Art, es zu sehen. Entscheidend ist also:
Was genau bedeutet »Katastrophe« für jemanden?
Sicher ist: Martina geht es nicht gut, sie leidet und sie lässt das den Zuhörer auf jene Weise wissen. Tut sie dies öfter so, könnte man vermuten (nicht wissen!), dass sie sich zu wenig gesehen fühlt. Deshalb übertreibt sie ein wenig …
Übertreibung fungiert oft als dicker, blinkender Pfeil vor der wörtlichen Rede:
Schau bitte schnell zu mir, mir geht es sehr schlecht!
In diesem Falle würde es Martina und auch der anderen Person – nennen wir sie Peter – nicht viel nutzen, darüber zu verhandeln, was denn jetzt genau eine Katastrophe ist und was nicht. Dann ginge es schnell darum, wer nun mit seiner Definition recht hat – und damit würde Peter Martinas »Ich fühle mich schlecht« oder »So schau doch mal endlich hin, bitte!!« nicht gerecht werden und sozusagen der nächsten gefühlten Katastrophe den Weg ebnen: Denn der Mensch, der sich dauerhaft nicht gesehen fühlt und deshalb zu Übertreibungen neigt, wird so lange weiter übertreiben, bis er sich gesehen fühlt.
Möchte Peter also, dass es Martina besser geht, und möchte er sie darin unterstützen, realistischer auf ihre Situation zu schauen, sollte er sie
1. ernst nehmen
und
2. empathisch sein.
Peter könnte so etwas sagen wie: »Ich sehe, dass es dir schlecht geht! Es kommt dir so vor, als wären
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