Cobra - Forsyth, F: Cobra - Cobra
verheiratet – ein Umstand, der an den Wasserspendern in den Korridoren im Old Building in Langley Anlass zu mancherlei Spekulation gegeben hatte; in das Neue Gebäude zu ziehen, hatte er glattweg abgelehnt. Aber schließlich hatten die Klatschmäuler das Offenkundige einsehen müssen. Der von Jesuiten geschulte intellektuelle Bostoner Konservative war einfach nicht interessiert. Bei dieser Gelegenheit hatte einer der cleveren jungen Aufsteiger bemerkt, Devereaux habe den Charme einer Cobra. Der Name war an ihm hängen geblieben.
Der junge Mitarbeiter aus dem Weißen Haus fuhr zuerst zu dem Wohnhaus zwischen South Lee und South Fairfax Street. Die Haushälterin, die strahlende Maisie, informierte den jungen Mann, ihr Arbeitgeber sei in der Kirche, und sie beschrieb ihm den Weg dorthin. Der junge Mann kehrte zu seinem Auto am Straßenrand zurück und sah sich um. Ihm war, als sei er zwei Jahrhunderte in die Vergangenheit gereist.
Kein Wunder. Alexandria war 1749 von englischen Kaufleuten gegründet worden. Die Stadt war »ante bellum« nicht nur in dem Sinne, dass sie schon vor dem Bürgerkrieg existiert hatte. Sie war sogar schon im Unabhängigkeitskrieg da gewesen. Als Flusshafen am Potomac kam sie durch den Handel mit Sklaven und Zucker zu Wohlstand. Die Zuckerschiffe, die aus der Chesapeake Bay und vom wilden Atlantik dahinter den Fluss heraufgekrochen kamen, benutzten alte englische Backsteine als Ballast, und aus diesen Steinen bauten sich die Kaufleute prächtige Häuser. Noch jetzt hatte der Anblick mehr vom Alten Europa als von der Neuen Welt.
Der Mann aus dem Weißen Haus setzte sich wieder auf den Beifahrersitz und dirigierte den Fahrer zur South Royal Street, um die katholische Kirche St. Mary’s zu suchen. Dort angekommen, stieg er aus und ließ das Rumoren der Straße hinter sich. In der Kirche war es still und ruhig. Er sah sich um und entdeckte eine einzelne Gestalt, die vor dem Altar kniete.
Auf lautlosen Sohlen ging er durch das Kirchenschiff, vorbei an den acht bunten Fenstern, durch die das Licht in die Kirche fiel. Er selbst war Baptist, und er roch den schwachen Duft von Weihrauch und dem Wachs der brennenden Votivkerzen, als er sich der knienden Gestalt mit dem silbernen Haar näherte, die da vor dem weiß gedeckten, von einem schlichten goldenen Kreuz überragten Altar betete.
Er hatte geglaubt, sich lautlos zu nähern, doch die Gestalt hob die Hand und ermahnte ihn damit, das Schweigen nicht zu brechen. Als sein Gebet zu Ende war, stand der Mann auf, verneigte und bekreuzigte sich und drehte sich um. Der Abgesandte aus der Pennsylvania Avenue wollte etwas sagen, aber wieder hob sich die Hand, und sie gingen schweigend durch das Kirchenschiff in das Vestibül vor dem Ausgang. Erst dort drehte der ältere Mann sich um und lächelte. Er öffnete die Tür und erblickte die Limousine auf der anderen Straßenseite.
»Ich komme aus dem Weißen Haus«, sagte der junge Mitarbeiter.
»Vieles ändert sich, mein junger Freund, aber nicht der Haarschnitt und nicht die Autos«, sagte Devereaux. Wenn der junge Mann geglaubt hatte, die Worte »Weißes Haus«, die er mit großer Hingabe benutzte, würden die übliche Wirkung zeigen, hatte er sich geirrt.
»Und was möchte das Weiße Haus einem pensionierten alten Mann sagen?«
Der Mitarbeiter war perplex. In einer Gesellschaft, deren Jugendwahn paranoid war, nannte niemand sich selbst alt, nicht einmal mit siebzig. Er wusste nicht, dass das Alter in der arabischen Welt verehrt wird.
»Sir, der Präsident der Vereinigten Staaten möchte Sie sprechen.«
Devereaux schwieg, als müsse er drüber nachdenken.
»Jetzt gleich, Sir.«
»Dann sind ein dunkler Anzug und eine Krawatte wohl angebracht, nehme ich an. Wenn wir bei mir zu Hause vorbeifahren könnten. Und da ich selbst nicht fahre, habe ich auch keinen Wagen. Ich hoffe, Sie werden mich nachher wieder zurückbringen?«
»Jawohl, Sir. Selbstverständlich.«
»Dann los. Ihr Fahrer weiß ja, wo ich wohne. Sie müssen mit Maisie gesprochen haben.«
Das Treffen im Westflügel war kurz und fand im Büro des Stabschefs statt, eines hartgesottenen Kongressabgeordneten aus Illinois, der schon seit Jahren für den Präsidenten arbeitete.
Nach einem Händedruck stellte der Präsident seinen engsten Verbündeten in ganz Washington vor.
»Ich habe Ihnen einen Vorschlag zu machen, Mr. Devereaux«, sagte er dann. »In gewisser Hinsicht handelt es sich um eine Bitte. Nein, es ist in jeder Hinsicht eine
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