Cobra
nämlich fast zwei Monate gewartet hatte, bevor er die Öffentlichkeit informierte. Das zu beantworten wäre ihm schwergefallen.
Die Öffentlichkeitsarbeit lenkte ihn von den Verhandlungen um die Detailfragen der Mission ab – das ging tatsächlich so weit, dass er von zwei wichtigen Mitgliedern des vorgeschlagenen Erkundungsteams erst erfuhr, als die Liste veröffentlicht wurde … und selbst dann noch musste Joshua ihn anrufen und ihm davon erzählen.
»Ich hatte mich schon gewundert, wieso du es so gefasst aufnimmst«, meinte Jonny, als Corwin ihn ein paar Minuten später zur Rede stellte. »Wahrscheinlich hätte ich es dir gegenüber erwähnen sollen.«
»Erwähnen, verdammt nochmal!«, knurrte Corwin wütend. »Du hättest es zumindest mit uns durchsprechen müssen, bevor du einfach angeheuert hast.«
»Warum?«, konterte Jonny. »Was deine Mutter und ich mit unserem Leben anfangen, ist unsere Sache – wir sind alt genug, um diese Entscheidungen allein zu fällen. Und wir haben uns für einen Tapetenwechsel entschieden, und dies schien eine günstige Gelegenheit.« Er zog eine Augenbraue hoch. »Oder willst du etwa behaupten, wir beide wüssten nicht, wie man sich in einer fremdartigen Umgebung verhält?«
Corwin biss die Zähne aufeinander. »Ihr seid ja wohl ein bisschen älter als damals, als ihr auf Aventine eingetroffen seid. Ihr könntet dort draußen umkommen.«
»Deine Brüder könnten auf Qasama sterben«, erinnerte Jonny ihn ruhig. »Sollen wir hier vielleicht herumsitzen, während die beiden da draußen ihr Leben riskieren? Auf diese Weise teilen wir wenigstens ihre Gefahr.«
Ein kaltes Frösteln kroch Corwins Rücken hinauf. »Nur im allerweitesten Sinn«, sagte er. »Dadurch, dass ihr euch in Gefahr bringt, wird ihr Risiko nicht kleiner.«
»Ich weiß.« Jonny lächelte bitter, und es war klar, er machte sich nichts vor. »Das ist eines der faszinierendsten Phänomene der menschlichen Psyche – ein tiefes, unbewusstes Gefühl kann stärker als alles andere sein, ohne auch nur den geringsten logischen Sinn zu ergeben.« Er wurde wieder ernst. »Ich habe dich nicht um dein Einverständnis gebeten, Corwin, aber du solltest mir zugestehen, dass ich mich selbst und meine Frau gut genug kenne, um zu wissen, was wir hier tun.«
Corwin winkte ab und gab sich seufzend geschlagen. »Also gut. Aber verdammt nochmal, kommt heil zurück! Ich kann den Rat schließlich nicht allein führen.«
Jonny musste lachen. »Wir werden uns alle Mühe geben.« Er griff zu seinem Fon und gab etwas auf dem Display ein. »Mal sehen … Ah, gut – im Rat findet heute Nachmittag die Diskussion über das Cobra-Kontingent statt. Die können wir getrost verpassen. Möchtest du vielleicht deinen Vater als praktischen Politiker in Aktion sehen?«
»Klar«, sagte Corwin und fragte sich, worauf sein Vater hinauswollte.
»Gut.« Jonny tippte auf ein paar weitere Tasten. »Hier ist Jonny Moreau. Steht der Lufttransporter bereit, den ich bestellt habe …? Gut. Geben Sie dem Piloten Bescheid, dass wir in ungefähr zwanzig Minuten starten: meine Wenigkeit sowie zwei zusätzliche Passagiere.«
Er trennte die Verbindung, stand auf und ging zu dem Ständer, an dem sein beheizter Anzug hing. »Geh und hol deine Jacke«, meinte er zu Corwin. »Wir wollen einem Kunden das geben, was wir auf Aventine unter einer Gratis-Kostprobe verstehen … für die er mit ein bisschen Glück vielleicht sogar bezahlen wird.«
Wie sich herausstellte, war der dritte Passagier Sprecher eins.
Corwin betrachtete den Troft mit verstohlener Bewunderung, während sie hoch über der aventinischen Landschaft dahinflogen. Er hatte in seinem Leben schon eine Menge Trofts gesehen, aber nie von so nahem und für so lange. Die nach hinten abknickenden Beine und die Füße mit den gespreizten Zehen, der ein wenig an ein Insekt erinnernde Oberkörper und Unterleib, die Arme mit den beweglichen Kühlmembranen, der übergroße Kopf mit seiner doppelten Kehlkopfblase und dem eigenartigen, hühnerähnlichen Gesicht – sämtliche gröberen anatomischen Einzelheiten waren ihm ebenso vertraut wie die von Menschen oder auch von Stachelleoparden. Doch da waren feine Details, die Corwin bislang nicht einmal bemerkt hatte, wie er jetzt feststellte. Die Haut des Alien zum Beispiel glänzte genauso, nur vielleicht schwächer wie seine trikotartige Bekleidung. Selbst aus einem Meter Entfernung konnte er das feine Geflecht der Linien
auf der Haut erkennen sowie die
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