Cobra
Unter dem abgehackten Knattern von Schnellfeuergewehren fraß sich ein wüster Kugelhagel durch Laub und Unterholz und verteilte überall einen Regen aus abgesprengten Baumstammsplittern. Flach auf dem Bauch liegend, schmiegte Justin sich an den Boden und wartete darauf, dass das Sperrfeuer nachließ. Als es schließlich so weit war, riskierte er einen vorsichtigen Blick um den Stamm. Einhundert Meter entfernt rannten sechs Qasamaner zurück zum Konvoi, fort von jenem Baumstamm, den die Cobras quer über die Straße gefällt hatten. Sie hatten, Pyre hatte es geahnt, Sprengladungen angebracht … und vor Justins Augen schoss eine gelbe Feuerwolke aus der Sperre in die Höhe. Der Rauch legte sich, und ein Teil des Stammes hatte sich in seine Bestandteile aufgelöst.
»Sperre ist durchbrochen«, meldete einer der Cobras in Justins Ohr. »Konvoi setzt sich wieder in Bewegung.«
Der Bleihagel wurde stärker und übertönte fast das Motorengeräusch, doch nur ein geringer Teil des Feuers zielte in Justins Richtung. »Ich bleibe dran«, sagte er in sein Mikro. Zwanzig Meter weiter befand sich der nächste jener Bäume längs der Straße, die sie am vergangenen Abend so sorgfältig präpariert hatten. Er hob seine Hand aus dem verfilzten Blätterwerk, zielte sorgfältig und feuerte.
Das Tau, das den angesägten Baum hielt, zerriss, und unter dem Krachen brechenden Holzes, das sogar inmitten des Gewehrfeuers zu hören war, kippte der Stamm elegant quer über die Straße. »Sperre erneuert«, meldete er.
»Sofort fertig machen zum Rückzug«, sagte Pyre knapp. »Rauch …?«
Als Antwort quoll zu beiden Seiten der Straße explosionsartig schwarzer Rauch aus dem Wald hervor. »Trupp eins, zurückziehen«, befahl Pyre.
Justin begann, sich von seinem Baum zu entfernen, wobei er einen Kompromiss fand zwischen der Notwendigkeit zur Eile und der Notwendigkeit, unten in Deckung zu bleiben. Wegen des Rauchs waren sowohl optische als auch Infrarotzielerfassung unmöglich, aber es galt, auf verirrte Kugeln aufzupassen. Bislang hatte sich der Mangel an Kriegserfahrung der Qasamaner in der Phantasielosigkeit ihrer Taktik gezeigt, allerdings machten sie das durch Begeisterung mehr als wett.
Er befand sich auf halbem Weg zu seiner neuen Deckung mitten im Nirgendwo, als von oben Maschinengewehrgeratter einsetzte. Er erstarrte und unterdrückte einen Fluch.
Die Kopter waren zurück. Ein Stück weiter östlich, schätzte er dem Geräusch nach – vermutlich sprengten sie ein paar der etwa einhundert im Infrarot erkennbaren Warmkörperköder in die Luft, die die Cobras den ganzen Morgen über dort aufgestellt hatten. Aber die Maschine kam näher. Justin traf einen schnellen Entschluss, sprang auf und brachte sich rennend in Deckung. Währenddessen veränderte sich die Tonlage des Koptergedröhns, eine Sekunde später bekam er den Flugapparat für einen winzigen Augenblick zwischen den Bäumen zu Gesicht … und ohne Vorwarnung schlug hinter ihm ein Kugelhagel ein.
Er legte einen Zwischensprint ein und war hinter seinem Zielbaum verschwunden, bevor der Bordschütze der Qasamaner sein Ziel korrigieren konnte. »Ich bin unverletzt«, rief er in sein Mikro, bevor irgendjemand nachfragen musste. »Aber ich sitze fest.«
»Ich hab ihn«, ächzte jemand. »Gibt mir jemand Feuerschutz?«
»Verstanden«, sagte Pyre. »Eins, zwei, drei .«
Der Kopter war herumgeschwenkt und versuchte, Justin vors Visier zu bekommen. Fast perfekt eingerahmt stand der Kopter zwischen den Ästen, als Pyres Antipanzerlaser aufblitzte und mitten ins Cockpitfenster traf.
Die Maschine machte eine ruckartige Bewegung, wodurch sie fast in die Baumwipfel wenige Meter unter ihr abgeglitten wäre … und von genau unter ihr schoss eine Gestalt durch das Laubdach in die Höhe und bekam den Griff der Seitentür des Kopters zu
fassen. Der Cobra schwang seine Beine nach oben und schraubte sich um seinen unsicheren Griff zu einem einarmigen Handstand an der Kopterseite hoch … und als seine Füße kaum einen Meter von der Hauptrotorachse entfernt waren, feuerte sein Antipanzerlaser.
Der Pilot gab sein Bestes. Fast augenblicklich brachte er die Maschine in eine starke Schräglage und warf den Cobra ab – eine Aktion, die diesen eigentlich hätte umbringen müssen. Doch dank des Katzenlandeprogramms seines Nanocomputer blieb dem Qasamaner auch diese kleine Genugtuung verwehrt … und als er den Kopter vorsichtig wieder aufrichtete, gab das beschädigte Metall des Rotors
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