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Cobra

Titel: Cobra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T Zahn
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Unkenntnis über die Verteidigungslaser dort nur vorgetäuscht war …
    In Wirklichkeit jedoch hatte er nichts zu befürchten. Die Platte stieg in sanftem Bogen in den Himmel und ging im Krachen von zersplitternden Ästen inmitten der fernen Baumgruppe nieder, gut zwanzig Meter diesseits der Mauer.
    Sie legten die gesamte Strecke zurück, ohne dass auf sie gefeuert wurde.
    Jonny befeuchtete sich die Lippen. Die automatischen Waffen ließen sie also höchstwahrscheinlich in Frieden. Würden sich die
zweifellos oben vorhandenen lebendigen Schützen ebenfalls zurückhalten? Ihm blieb nichts anderes übrig, als darauf zu hoffen, dass sie nach wie vor auf die Mauerlaser vertrauten, um ihn endgültig zu stoppen. Wenn es so war … und wenn sein Plan tatsächlich funktionierte …
    »Sind Sie bereit für einen Sprint?«, fragte er Ilona im Flüsterton.
    Ihre Augen ruhten noch immer auf der Stelle, wo die Kyreliumplatte niedergegangen war. »Donniwetti«, raunte sie. »Äh – ja, ich bin bereit. Bis zur Mauer?«
    »Ganz recht. Und zwar so schnell Sie können. Ich bin hinter Ihnen, wo ich mich theoretisch mit jedem befassen kann, der uns aufhalten will.« Ein letzter Blick – »Gut, los jetzt.«
    Sie flitzte los, als wäre die gesamte Kriegsmaschinerie der Trofts hinter ihr her, und duckte sich dabei halb, was ihr die Illusion relativer Sicherheit gab. Jonny ließ sie vielleicht fünf Meter vorauslaufen, optische und akustische Verstärker bereit, jedes Anzeichen von Verfolgung aufzufangen. Doch nach dem, was die Geräte empfingen, hätte die Tyler-Villa ebenso gut verlassen sein können. Bestimmt stehen sie alle in Reih und Glied auf dem Balkon und schauen zu, wie wir uns selbst umbringen, dachte er und merkte dabei, wie ihm die Anspannung zuzusetzen begann. Noch ein paar Sekunden, sagte er im Rhythmus seiner Schritte immer wieder vor sich hin. Noch ein paar Sekunden, dann ist es vorbei.
    Am Rand der Baumgruppe legte er zu und hatte Ilona kurz darauf eingeholt. »Warten Sie – ich muss diese Kyreliumplatte holen.«
    »Was?«, japste sie. »Wozu?«
    »Keine Zeit für Fragen!«
    Das Metall war unbeschädigt, was nicht überraschte. Jonny hob es auf, balancierte es wie eine übergroße Tür vor seinem Körper und suchte nach den Stellen, wo er die Platte am besten festhalten konnte.
    »Was tun … Sie da?«

    »Ich bringe uns hier raus. Kommen Sie her – stellen Sie sich vor mich. Kommen Sie schon!«
    Sie gehorchte und trat zwischen ihn und die Platte. »Die Arme um meinen Hals – halten Sie sich fest … und jetzt schlingen Sie die Beine um meine Hüften … gut. Was auch passiert, halten Sie sich gut fest. Verstanden?«
    »Ja.« Ihre Stimme klang ängstlich. Vielleicht schwante ihr, was jetzt kam.
    Zwanzig Meter bis zur Mauer. Jonny ging weitere zehn zurück und versuchte, ein Gefühl für die Verteilung des zusätzlichen Gewichts zu bekommen. »Los geht’s«, meinte er zu Ilona. »Festhalten!«
    Das Sirren der Servos klang ihm lauter in den Ohren als das Pochen seines Pulses, als seine Füße sich mit jedem Schritt immer tiefer in die Erde gruben und seine Geschwindigkeit zunahm. Acht Schritte, neun Schritte – er war fast schnell genug -, zehn Schritte …
    Und einen Augenblick später drückten sich seine Knie durch und schleuderten sie in hohem Bogen nach oben.
    Es war ein Bewegungsablauf, den Jonny auf Asgard immer wieder geübt hatte: die Rolle eines Hochspringers, die ihn über jedes Hindernis tragen sollte, das ihm in die Quere kam. In der Waagerechten, das Gesicht nach unten gerichtet, näherte er sich sowohl dem Scheitelpunkt seiner Flugbahn als auch der todbringenden Mauer … und einen Augenblick, bevor er beides erreichte, ließ er die Platte los, die sich jetzt direkt unter ihm befand, und schlang die Arme fest um Ilona.
    Der Blitz war unfassbar grell, vor allem, wenn man bedachte, dass Jonny nur die Reflexion des Laserlichtes von der Unterseite der Kyreliumplatte in die umliegende Landschaft sah. Kurz hintereinander krachte das sich unter der Hitze verziehende Metall mehrmals, und wo es schmolz, zischte es – dann waren sie über die Mauer, und Jonny schraubte sich und Ilona in eine aufrechte Stellung.
    Er landete in einem Winkel, der ihn ohne seine Sehnen- und Knochenverstärkungen wahrscheinlich beide Knöchel gekostet
hätte. Sofort fand er sein Gleichgewicht wieder, packte Ilona fester und fing an zu rennen.
    Er schaffte es halb bis zum nächsten Gebäude, bevor die Trofts sich von ihrer

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