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Coco Chanel & Igor Strawinsky

Titel: Coco Chanel & Igor Strawinsky Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Greenhalgh
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ganz leicht andere Männer haben könnte, wenn sie wollte. Sie müsste verrückt sein, sich mit ihm einzulassen. Außerdem würde sie es nicht ertragen, noch einmal verletzt zu werden. Nicht nach Boy. Beim Gedanken an seinen Tod erschauert sie.
    »Zum Teufel mit der Ehe«, platzt Adrienne, vom Wein ermutigt, heraus. »Nach dem Krieg sind sowieso zu wenig Männer übrig, als dass man sich auch noch darüber Gedanken machen müsste.« Sie meint es halb scherzhaft, aber Coco lächelt nicht.
    »O je, es ist tatsächlich ernst«, sagt Misia in plötzlicher Erkenntnis.
    Coco trinkt einen Schluck Wasser und blinzelt hektisch. Dann scheint es, als werde in ihrem Innern ein Schalter umgelegt. »Ich will nicht mehr darüber reden. Ich habe nicht vor, mich zu demütigen. Seine Arbeit ist ihm viel zu wichtig, als dass er auch nur daran denken würde, etwas mit mir anzufangen.« Unvermittelt richtet sie sich auf. »Und offen gesagt, mir ist mein eigenes Geschäft auch viel zu wichtig.«
    Als man ihr Wein nachschenken will, legt Coco entschlossen die Hand auf ihr Glas. Sie hat schon zu viel getrunken. »Es gibt ohnehin genug andere Dinge, über die ich mir Gedanken machen muss.«
    »Was denn zum Beispiel?«
    Der Themenwechsel verleiht ihr neue Energie. Sie erzählt ihnen, dass sie ein hauseigenes Parfüm herausbringen will. Misia ist begeistert. Adrienne ist weniger enthusiastisch. Sie fürchtet, Cocos Plan könnte die modeschöpferische Seite ihres Geschäfts beeinträchtigen. Außerdem macht sie sich Sorgen, dass sie sich übernehmen könnten.

    »Ein neuer Duft«, erklärt Coco.
    »Die meisten Leute waschen sich nicht einmal«, entgegnet Adrienne.
    »Eine Frau sollte wie eine Frau riechen, nicht wie eine Rose.«
    »Ich brauche unbedingt ein neues Parfüm. Etwas weniger Blumiges«, sagt Misia. »Ich bin in den letzten Tagen zweimal gestochen worden.« Zum Beweis zeigt sie ihnen zwei kleine Beulen auf ihrem Arm.
    Adrienne verzieht mitfühlend das Gesicht, aber ihr Widerspruch lässt nicht lange auf sich warten. »Das ist den Leuten egal, solange es den Gestank ihres Körpers überdeckt.«
    »Die Leute werden sich ändern«, sagt Coco.
    Eines haben die Nonnen sie gelehrt: sich immer sorgfältig zu waschen. Wenn Frauen mithilfe ihres Parfüms gut riechen wollen, müssen sie zuerst dafür sorgen, dass sie sauber sind, so einfach ist das.
    »Wenn ein solches Wagnis scheitert, könnte dich das viel Geld kosten.«
    Coco dreht den Fuß ihres Glases gedankenverloren in einem feuchten Ring auf dem Tisch, dabei wirft es helle Kreise auf die dunkle Holzplatte. »Im Leben muss man ab und zu ein Risiko eingehen.«
    »Darauf trinke ich«, sagt Misia.
    »Du bist schon so viele Risiken eingegangen, dass es für ein ganzes Leben reicht.« Adriennes Stimme klingt gereizt.
    »Bei Poiret hat es doch auch funktioniert.«
    Darauf erhält sie keine Antwort.
    »Wenn das Parfüm ein Erfolg wird, kann es unseren Umsatz enorm steigern. Der entscheidende Punkt ist, das Zeug zu entwickeln. Wenn es erst einmal kreiert ist, haben wir den schwierigsten Teil hinter uns. Das ist nicht wie bei Kleidern,
bei denen man für jede Saison etwas Neues entwerfen muss. Bei einem Parfüm braucht man nur immer weiter Nachschub zu produzieren.«
    »Aber warum willst du alles aufs Spiel setzen, was du bis jetzt erreicht hast, für diesen …« Adrienne sucht nach einem verächtlicheren Wort, aber es fällt ihr keines ein. »… Geruch?«
    »Er wird uns von anderen unterscheiden und unser Ansehen steigern. Stell es dir einfach als eine Stilübung vor.«
    Was sie im Sinn hat, ist kein simpler Toilettenartikel, wie es schon so viele gibt, sondern etwas vollkommen Neues, etwas noch nie Dagewesenes, etwas Betörendes und Erhabenes. Sie wünscht sich ein Parfüm, das so wundervoll ist, dass es einen Mann beim ersten Atemzug in seinen Bann zieht. Es wird wundervoll sein, denkt sie. Liebe und Parfüm zusammen machen eine Frau komplett. Und wenn das eine das andere inspiriert, umso besser.
    »Musst du dafür nicht erst noch ein paar Untersuchungen anstellen lassen?«, fragt Adrienne, die allmählich die Wirkung des Weins spürt.
    »Liebes, das habe ich doch längst. Ich habe meinen Parfümeur schon ausgesucht.«
    »Wer ist es?«
    »Ernest Beaux.«
    »Ein Franzose also.«
    »Er stammt aus Sankt Petersburg. Aber er arbeitet in Grasse.«
    »Noch ein Russe!«, ruft Adrienne.
    »Sein Vater war Hofparfümeur des Zaren.«
    »Du hast zurzeit eine Schwäche für Slawen, was?«, bemerkt

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