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Coco Chanel & Igor Strawinsky

Titel: Coco Chanel & Igor Strawinsky Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Greenhalgh
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Assistenten in weißen Kitteln über ihre Retorten und schwenken Flüssigkeiten in Bechergläsern. An einer anderen Wand sind Messgläser und Trichter aufgereiht, Stößel und Mörser teilen sich einen Bereich mit Löffeln und Rührstäben. Coco ist angetan von dieser sorgfältig durchdachten Ordnung. Ihr gefällt die Tatsache, dass er systematisch arbeitet. Außerdem beruhigen sie die weißen, keimfreien Oberflächen.
    Auf einem breiten Regal an der gegenüberliegenden Wand stehen Glasgefäße dicht an dicht. Coco macht eine gedankliche Bestandsaufnahme. Jeder Behälter ist mit schwarzer Tinte beschriftet: Alkohol, ätherische Öle und Fette in verschiedenen Kombinationen, dazu eine verflüssigte Sammlung natürlicher und künstlicher Duftstoffe. Ein vollständiges Lexikon differenzierter Düfte: Amber, Kampfer, Frangipani, Jasmin, Moschus, Neroli, Sandelholz und Veilchen - destillierte Düfte aus Südeuropa und dem Mittleren Osten, der gesammelte Schweiß der Götter.

    »Gewinnen Sie alle diese Duftstoffe selbst?«, fragt Coco.
    »Dazu fehlt uns der Platz. Heutzutage ist das ein industrieller Prozess. Wir kaufen die fertigen Essenzen. Abgesehen davon ist die Art, wie diese gewonnen werden, gar nicht so wichtig.« Beaux’ Stimme wird leiser, als wollte er diabolisches Wissen andeuten. »Wie Sie sie kombinieren , ist das Entscheidende.«
    Er bewegt sich in seinem Labor wie ein Chefkoch in seiner Küche und sucht die Flakons zusammen, die er für Chanel vorbereitet hat. Sie bewundert seine Fähigkeit, einzelne Düfte herauszupicken, einen bereitwilligen oder widerspenstigen Strang zu isolieren, um ihn entweder zu destillieren oder abzusaugen. Es ist die gleiche Fähigkeit, über die auch Igor verfügt, denkt sie: das einzelne Instrument im ganzen Orchester herauszugreifen, das ganz leicht verstimmt ist.
    Alles geht so verwirrend schnell. Die Helligkeit, die Düfte und die Bewegungen der Chemiker in ihren weißen Kitteln lassen Coco schwindeln. Doch nach ein paar Minuten sind die Männer fertig und stehen hinter ihrem Stuhl bereit. Beaux drückt ein paar Tropfen aus einer Pipette in eine Petrischale. Sie denkt an die Hunderte zerdrückter Blüten, die nötig waren, um einen einzigen Tropfen dieses dünnen Elixiers zu gewinnen.
    Er wiederholt den Vorgang mehrere Male. Dann breitet er die Muster vor ihr aus und bedeutet ihr mit einer Handbewegung, sie zu prüfen. Die Gerüche zerfallen an einem bestimmten Punkt, ein paar Zentimeter unter ihrer Nase. Sie bemerkt ein dunstiges Wallen. Die vermischten Duftnoten steigen auf.
    Jetzt, als alles still ist, hört sie ein Geräusch. Ein hartnäckiges Summen, das Sirren von Deckenventilatoren, glaubt sie. Sie schaut auf, aber die Ventilatoren erzeugen ein rhythmisches,
gleichmäßiges Geräusch. Darunter mischt sich ein erregteres, schrilleres Summen, das seinen Ursprung in der Nähe des Fensters hat. Sie schaut hinüber. Das Fenster ist wegen der Hitze geöffnet, aber über den Rahmen ist ein Gazenetz gespannt. Und hinter dem Netz wimmelt eine dichte Wolke aus Fruchtfliegen, die, völlig berauscht von den süßen Düften, verzweifelt gegen die Bespannung prallen.
    Beaux sieht, dass sie sie bemerkt hat. Er reibt sich die Hände und sagt: »Genau so werden die Leute auf Ihren Duft reagieren, Mademoiselle.«
    Coco bringt einen spöttischen Blick zustande, der sich durch eine leise Verschiebung ihrer Züge in ein scheues Lächeln verwandelt. »Hoffentlich!«
    Die Flüssigkeiten, die Beaux vor sie hingestellt hat, haben die Farbe von klarem Honig, Bernstein oder dünnem Tee. Er taucht einen Riechstreifen in die erste Schale und schwenkt ihn unter ihrer Nase.
    Als sie einatmet, entfalten sich die einzelnen Parfüms nacheinander wie mysteriöse Blüten.
    Rasch verwirft sie zwei der Muster, sie riechen überreif. Ein drittes ist ein wenig bitter. Damit bleiben drei übrig. Die Riechstreifen schwirren wie Zauberstäbe unter ihrer Nase. Sie schließt einen weiteren Duft aus, der lediglich bezaubernd ist, aber wenig Substanz hat, wonach nur noch zwei - Nummer zwei und Nummer fünf - im Rennen bleiben.
    Nachdem sie noch ein paarmal versucht hat, sich über den Unterschied zwischen ihnen klar zu werden, gesteht sie: »Ich mag sie beide.«
    Beaux drängt sie, es noch einmal zu versuchen. Sie muss sich entscheiden. Über jeder Probe atmet sie noch einmal tief ein. Beide sind exquisit, duften angenehm und wecken, jede auf ihre Weise, Assoziationen.

    »Ich rieche Jasmin.«
    »Ja.«
    »Und

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