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Coco Chanel & Igor Strawinsky

Titel: Coco Chanel & Igor Strawinsky Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Greenhalgh
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ist erkauft. Es war unfair und dumm von ihr, sie überhaupt zu fragen. Aber sie ist so verzweifelt. Jekaterina presst ihre Faust so tief in den Mund, wie es geht.
    Unten im Erdgeschoss hört Coco die Musik, die aus Igors Arbeitszimmer strömt. Sie sieht die viereckige Form des Flakons auf dem Block vor ihr. Dann stellt sie sich die runde Schallplatte vor, die ihre Töne den Flur entlangwehen lässt. Allmählich beginnen die beiden Formen, das Viereck und der Kreis, einander zu durchdringen, und für einen kurzen Moment scheinen sie zueinander zu passen.
    Ihre gespitzten Lippen umschließen den Bleistift. Sie beginnt wieder zu zeichnen, zögernder diesmal. Auf dem Papier erscheint eine Art schwarzes Siegel: zwei sich überschneidende, von einander abgewandte Cs. Sie hat die Initialen der Cour des Comptes im Sinn, des Rechnungshofs in der Rue Cambon, nicht weit von ihrem Salon entfernt. Eine Art Wappen, ein Symbol. Wie eine abgewandelte Version der olympischen Ringe, eine Art Schnalle. Oder zwei Profile, die in einer intimen Silhouette zusammengeschlossen sind.

Kapitel 18
    JOSEPH REICHT STRAWINSKY den Telefonhörer.
    Es ist Diaghilew, der ihn darüber informiert, dass sie gerade eine Spende über dreihunderttausend Francs erhalten haben, um damit die Wiederaufführung des Sacre du Printemps zu finanzieren.
    Igors Hand schnellt an seine Stirn. »Von wem?«
    »Ich weiß es nicht. Wie es scheint, anonym.«
    »Das glaube ich nicht!«
    »Ich dachte, du würdest dich freuen.«
    »Ich will, dass es diesmal eine ordentliche Aufführung wird, Sergej«, sagt Igor, plötzlich besorgt.
    »Natürlich.«
    »Und ich werde dirigieren«, erklärt er, einer plötzlichen Eingebung folgend.
    »Lass uns nichts überstürzen.«
    »Ich will, dass es gut wird.«
    »Keine Angst. Diesmal wird es anders sein«, beruhigt ihn Diaghilew wie ein Reiter, der sein Pferd zügelt.
    »Was macht dich da so sicher?«
    »Die Leute damals waren Schwanensee und Dornröschen gewohnt. Sie waren nicht vorbereitet auf das, was sie zu hören bekamen.«
    »Und du glaubst, das ist jetzt anders?«
    »Sie wollten ein Fest. Und du gabst ihnen einen weiblichen Orgasmus. Darauf war nicht einmal Dr. Freud vorbereitet.«
    Igor lacht. »Und jetzt?«

    »Nach einem Krieg und einer Revolution sollten sie auf alles vorbereitet sein.«
    Atemlos vor Aufregung und in einem vertrauensvollen, fast schon beichtenden Ton spricht Igor weiter: »Ich komme mit meiner Arbeit gut voran, Sergej.«
    »Hast du viel geschafft?«
    Igor erzählt ihm von den Fünf-Finger-Etüden, dem Concertino und den Sinfonien, davon, wie er mit verschiedenen Tempi experimentiert und mit verschiedenen Instrumenten, die in unterschiedlichen Metren spielen. Er erzählt, dass er parallel an mehreren Stücken arbeitet, aber dass er sich jetzt dem Sacre zuwenden will, dass er die Streicherpartien überarbeiten will, und im Geiste schon die zweite Hornstimme verbessert hat.
    Dann folgt ein Schweigen. »Wie geht es Jekaterina?«
    Er schrumpft sichtlich zusammen. »Nicht allzu gut, fürchte ich.«
    »Das tut mir leid. Machst du auch keine Dummheiten, Igor?«, fährt Diaghilew nach einer kleinen Pause in nachdrücklicherem Ton fort.
    Igor antwortet nicht.
    »Ich habe da etwas läuten hören.«
    »Von wem?«
    »Das ist doch egal.«
    »Von Misia, stimmt’s?«
    »Vielleicht …«
    »Diese falsche Schlange!«
    »Sie ist eine großzügige Gönnerin.«
    »Man kann ihr nicht trauen.«
    »Vergiss sie. Genieß einfach die Zeit dort, alter Junge.«
    »Glaubst du, Coco hat das Geld gespendet?«

    »Das bezweifle ich. Sie hat andere Wege, um dich zu unterstützen.«
    »Nicht du auch noch!«
    »Du solltest glücklich sein. Wir haben gerade eine gewaltige Spende bekommen.«
    »Ich bin glücklich.«
    »Gut.«
    Igor legt den Telefonhörer zurück auf die Gabel. »Misia, dieses Miststück«, flucht er.
     
    Am Freitag gehen Coco und Igor zum Pferderennen. Am Samstag kann man sie zusammen im Le Bœuf sur le Toit sehen, einer kleinen Bar in Montparnasse, wo eine schwarze Band Mozart und Jazz spielt und die Stammgäste auf den Tischen tanzen. Und am Montag verabreden sie sich mit den Serts in einem Kino im Zentrum von Paris. Sie sehen beide gern Filme und haben sich auch schon Das Kabinett des Dr. Caligari angeschaut. Heute Abend haben sie Karten für Das Zeichen des Zorro .
    Im Kino ist es warm. Die Sessel sind gerade und unbequem. Coco bewegt ihre schmerzenden Beine hin und her, dabei stoßen sie an Igors Knie und verharren dort. In

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