Coconut Caye - Insel der Lust
Jungen mitgebracht hatte. Offenbar wollten sie Sydneys Klasse zeigen, wie man anständig feiert.
Sie starrte in ihren Plastikbecher und fragte sich, wie irgendjemand freiwillig dieses Zeug trinken konnte, das wie Pferdeurin schmeckte. Na ja, wahrscheinlich genau solche Typen, für die es den größten Spaß bedeutete, uneingeladen auf Partys von High-School-Schülern aufzutauchen. Richtig. Das müsste sie wohl auch auf ihre “Zu tun”-Liste für die nächsten Jahre setzen. Mein Gott, sie hatte wirklich eine miserable Laune.
Kurzentschlossen kippte sie ihr Bier hinter den Baum, wo es eine schäumende Pfütze zwischen Baumstamm und Stiefmütterchen bildete. Als Dünger eignete sich diese Brühe gewiss nicht, aber vielleicht als Insekten- oder Unkrautvernichter.
“Umsonst ist es nur, wenn man es auch trinkt. Wer es wegkippt, muss einen Dollar pro Becher bezahlen.”
Sydney fuhr herum, als sie die tiefe Männerstimme hörte. Dann glaubte sie, sie müsste im Erdboden versinken.
Vor ihr stand Ray Coffey. Sydney konnte weder sprechen noch richtig atmen. Ray war Patricks großer Bruder und außerdem der strahlende Held ihrer Teenagerfantasien. Er war der einzige Junge, in den sie sich je verliebt hatte. Und das wahnsinnig und hoffnungslos und über alle Maßen.
Allerdings hatte der Ray Coffey, den sie jetzt vor sich sah, wenig Ähnlichkeit mit dem Jungen, der vor einem Jahr seinen Abschluss gemacht hatte und aus ihrem Leben verschwunden war.
Kaum zu glauben, dass seitdem erst ein Jahr vergangen war. Er sah viel größer und erwachsener aus. Sie war nicht sicher, ob er tatsächlich gewachsen war. Wuchsen Jungen denn, bis sie zwanzig waren? Auf jeden Fall waren seine Schultern breiter. Und seine Brust. Als hätte er in der Zwischenzeit Gewichte gestemmt. Andererseits spielte er Football am College, was einiges erklärte.
Sie fragte sich, ob er immer noch mit Mandy Green ausging.
“Was? Magst du kein Bier?”, fragte er lächelnd und zwinkerte ihr zu.
Du meine Güte, sie musste aufhören, ihn so anzustarren, als redete er chinesisch. “Doch, tut mir leid, doch, ich mag Bier, manchmal.” Na prima, sie klang wie eine Geisteskranke. “Ich meine, ich mag bestimmte Biere lieber als andere.” Und jetzt redete sie genau wie die verwöhnte Ziege, für die alle sie hielten.
“Ich vermute, Fassbier zählt nicht zu deinen bevorzugten Sorten.”
“Fassbier?”, wiederholte sie.
“Ja, Fassbier. Bier, das man im Fass kauft.”
Während sie sich noch darum bemühte, ihre Gedanken zu sortieren, verzog er das Gesicht und sagte: “Das war ziemlich fies, oder?”
“Nicht so fies wie das Bier”, sagte sie und lachte. “Entschuldige. Ich muss mich anhören wie ein Snob. Dabei will ich das gar nicht. Ich meine, ich bin eigentlich gar nicht so.”
“Schon gut. Ich halte auch nichts von dem Gebräu. Ist das vielleicht besser?” Er zog eine Flasche Corona aus seiner Jeanstasche und reichte sie ihr.
“Ganz bestimmt”, antwortete sie, öffnete den Verschluss und nahm dankbar einen Schluck. Dabei bezog sich ihre Dankbarkeit sowohl auf das bessere Bier als auch darauf, dass er sie nicht für einen Snob hielt. Was konnte sie schließlich dafür, von Haus aus nur an das Beste gewöhnt zu sein?
“Na, das nenne ich eine Frau nach meinem Geschmack. Eine, die ein gutes Bier zu schätzen weiß und nicht dauernd diese albernen Cocktails schlürfen will.” Ray lachte.
Sie liebte sein Lachen! Es hatte einen wundervollen Klang. Und erst sein Gesicht! Sie hatte ein unbeschreibliches Kribbeln im Bauch, wenn sie ihn ansah. “Da muss ich dich warnen. Ich kenne ein paar alberne Cocktails, die ich richtig gut finde.”
Er prostete ihr zu. “Nun, dann werde ich in deinem Fall eine Ausnahme machen. Schließlich soll mir niemand nachsagen, ich ließe mich von einem Erdbeer-Daiquiri um einen schönen Abend bringen.”
Schönen Abend? Mit ihr? Sydney fühlte sich wie dreizehn. Wenn sie nicht aufpasste, würde er unweigerlich merken, dass sie unsterblich in ihn verliebt war.
Aber wie wollte sie die Gelassene spielen, wenn er direkt vor ihr stand und mit ihr redete? War das zu fassen? Er sprach mit ihr! Er unterhielt sich nicht mit den Jungen, die er kannte, oder mit einem der vielen Mädchen, die herumliefen und erzählten, sie würden sich für ihn auf der Stelle ausziehen.
“Ich bin übrigens Ray Coffey, Patricks Bruder.” Er trank einen Schluck Bier.
“Ach, hallo. Ich bin Sydney Ford.”
“Ja, das weiß ich
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