Code Delta
hervor. Sie hielt ein Foto von Richard Ridley. »Wohl kaum«, sagte er. »Wir sind auf der Suche nach einem Bekannten.«
Hudson griff nach dem Foto und betrachtete es. Er bemühte sich derart pingelig darum, keine Reaktion zu zeigen, dass klar war: Er kannte Richard Ridley. »Hier gehen viele Menschen ein und aus«, meinte er ausweichend. »Touristen, Praktikanten, zu viele Gesichter, als dass man sich alle merken könnte. Und ich verbringe meine Tage meistens damit, mir in Stein gemeißelte Gesichter anzusehen. Da wir gerade davon reden, es tut mir leid, Sie enttäuschen zu müssen, aber ich habe wirklich viel zu tun, und bei diesem Wetter traut sich keiner, mir zu helfen.«
Queen ließ ein falsches Lächeln aufblitzen. »Dann überlassen wir Sie wieder Ihrer Arbeit. Wir würden gerne die Ausgrabung besichtigen, wenn sich das Wetter bessert. Unter Ihrer Führung vielleicht?«
»Sicher, sicher.« Hudson wandte sich ab.
Queen blieb so lange stehen, bis die Situation peinlich zu werden begann. Dann machte sie kehrt und verdrehte die Augen. Bishop und Knight antworteten mit einem Grinsen. Sie verließen das Zelt und zogen sich in den Urwald zurück. Außer Sichtweite erklommen sie einen kleinen Hügel, legten sich auf den Bauch und warteten auf das Unvermeidliche.
Hudson fuhr fort, das Fundstück zu säubern, das gleichzeitig schön und unheimlich wirkte, war aber nicht mehr recht bei der Sache. Die drei Fremden gingen ihm nicht aus dem Kopf. Sie suchten nach einem Mann, der in den letzten Monaten sein Freund geworden war: Marc Kaufman. Aber welcher Tourist würde die Reise nach El Mirador mitten in einem der schlimmsten Stürme unternehmen, die die Regenzeit in diesem Jahr gebracht hatte? Er wusste nicht, in welcher Beziehung Kaufman zu den drei Besuchern stand, aber sie strahlten böse Absichten aus.
Ich bin ein guter Menschenkenner , dachte Hudson, und diese drei führen Übles im Schilde .
Nachdem er lange genug gewartet hatte, dass die Fremden das Camp verlassen haben mussten, trat er vor die Tür. Das Prasseln des Regens auf die dunklen Zeltplanen erfüllte die Luft mit einem statischen Rauschen. Er konnte niemanden im Camp oder im umgebenden Dschungel erkennen. Geduckt schlich er durchs Lager. Seine Stiefel saugten sich im Matsch fest, Wasser lief über die Ränder und durchweichte seine Socken. Schließlich erreichte er Kaufmans Zelt und kauerte sich vor dem Eingang hin. »Kaufman«, flüsterte er. »Sind Sie da?« Da er keine Antwort bekam, versuchte er es noch einmal. »Schlafen Sie, Mann? Wachen Sie auf!« Von Ungeduld übermannt, zog er den Reißverschluss auf. Er schlug die blaue Zeltklappe zurück und sah hinein. Kaufman war nicht da.
Hudson stand verwundert auf und kratzte sich am Kopf. Als er sich umdrehte, um zum Laborzelt zurückzukehren, fand er sich Auge in Auge Queen gegenüber. Mit einem Aufschrei stolperte er zurück und plumpste halb in Kaufmanns Zelt. Queen, Bishop und Knight drängten ihm nach und hockten sich um den Eingang herum nieder.
»Wer ist Kaufman?«, fragte Bishop. Ein Donnerschlag akzentuierte seine Frage und brachte den Urwaldboden zum Erzittern.
»Ich weiß nicht …«
Queen räusperte sich. Sie hielt ihre Waffe auf Hudson gerichtet.
Dessen Gesicht verzerrte sich zu einer Fratze der Furcht. »Der Mann auf dem Foto. Er ist … Journalist. Er schreibt für National Geographic . Was … was wollen Sie von ihm?«
»Was treibt er denn so?«, wollte Knight wissen.
Hudson starrte ihn verständnislos an.
»Gibt es einen Ort, an dem er besonderes Interesse gezeigt hat?«
Hudson dachte kurz nach. »Er hat sich auf der ganzen Ausgrabung umgesehen, aber die meiste Zeit verbringt er in der großen Pyramide.«
»La Danta?«, fragte Queen.
»Ja. Vermutlich ist er jetzt gerade dort.« Hudson nickte bekräftigend. »Ganz sicher sogar. Seit wir den Eingang gefunden haben, ist er …«
»Wo liegt der Eingang?«, drängte Queen.
»Ganz oben. Er war von Baumwurzeln zugewachsen. Vor ein paar Tagen hat ein Sturm den Baum umgerissen. Sie … Sie finden doch sicher selbst hin … oder?«
»Keine Sorge, Chef«, sagte Queen und fasste ihre Waffe fester. »Wir brauchen Sie nicht.« Sie betätigte den Abzug und schoss ihm einen Pfeil in den Hals. Unter dem starken Betäubungsmittel verlor Hudson augenblicklich das Bewusstsein und sank nach hinten ins Zelt. Queen schob auch seine Füße hinein und zog den Reißverschluss zu. Dann stand sie auf und trat zu Bishop und Knight, die einen
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