Code Vision (Vereint) (German Edition)
weiterer Blitz zuckte aufgeregt durch meinen Körper und kurbelte meinen Puls an. Sie sah auf und ich versank ein weiteres Mal in ihren stechenden Augen.
„In Ordnung“, sagte sie schließlich leise. „Ich habe um fünf Uhr Feierabend. Hol mich ab.“
Damit wandte sie sich um und verschwand so schnell in einem Hinterzimmer, dass ich gar nicht mehr die Möglichkeit hatte, noch etwas zu sagen. Fünf Uhr also. Als ich die Buchhandlung verließ, verzogen sich meine Lippen zu einem Grinsen, das bis zu meinen Ohren reichen musste.
Emily
Mit zitternden Händen stützte ich mich auf der Arbeitsplatte ab. Hatte er etwas gemerkt? Hatte er es mir abgekauft? Mein Innerstes lieferte sich noch einen erbitterten Kampf zwischen ihm-um-den-Hals-Fallen und ihn-ignorieren-und-vergessen . Beide Optionen hätten mich nicht befriedigt, weil es bedeutet hätte, nachzugeben – so oder so.
Was fiel diesem Mistkerl ein? Erst tauchte er hier wie aus dem Nichts auf und dann kam er stotternd zu mir und bat mich um ein Gespräch. Dafür war es neun Jahre zu spät! Wo war er damals gewesen, als mein Herz in tausend Stücke zerbrochen war? Bis heute hatte ich keinen Wunderkleber gefunden, der es hätte zusammensetzen können.
Und wie sah er überhaupt aus? Die Sweatjacke, die er trug, hätte ich bestenfalls an einem Computernerd oder Footballstar erwartet, aber niemals an Chris. Dass letzteres niemals zutreffen würde, war ich mir sicher, was ersteres betraf, spielte mir meine Vorstellung einen interessanten Streich: Chris wie er an seinem PC saß, eine Lesebrille vorne auf der Nase. Er drehte sich zu mir um und öffnete ganz langsam den Reißverschluss seiner Jacke. Was darunter zum Vorschein kam, brachte mein Blut in Wallung – und das ausnahmsweise mal nicht aus Wut. Mit einer Hand strich er sich durch sein Haar, das keinen erkennbaren Schnitt hatte, mit der anderen fuhr er sich über die leichten, aber doch erkennbaren Bauchmuskeln. Dann nahm er die Brille ab, biss verspielt auf den Bügel und hauchte mit einem lasziven Lächeln: „Komm doch ein bisschen näher, Baby!“
Kaffee … ich musste meine Gedanken unter Kontrolle haben, wenn ich mich mit ihm zu einem Gespräch treffen wollte. Die Fassade bröckelte alleine dadurch schon, dass ich dem Treffen zugestimmt hatte. Aber so leicht würde er mir nicht davon kommen. Wenn er nun dachte, dass wir einfach da weiter machen konnten, wo wir aufgehört hatten, dann irrte er sich gewaltig! Man verarschte eine Emily McGallup nicht. Niemals!
Nachdenklich betrachtete ich meine Hand. Ich konnte seine Wärme noch immer darauf spüren und das brachte mich mehr aus dem Konzept, als ich mir eingestehen wollte. Chris… Warum bist du plötzlich wieder aufgetaucht? Warum jetzt? Warum bist du nicht einfach dort geblieben wo du warst? Ich hatte mein Leben doch gerade wieder einigermaßen im Griff …
Keine Zeit für Selbstmitleid und Zweifel! Ich schnappte mir die Tasse aus dem Automaten und ging mit meiner alten Selbstsicherheit zurück in den Verkaufsraum. Der Mann, der mich aus dem Konzept brachte, musste erst noch geboren werden. Auch ein Christopher Redfield musste in seine Schranken gewiesen werden und dafür war ich genau die Richtige.
Christopher
Die Zeit bis fünf Uhr brachte ich in einem Café in der Nähe hinter mich. Ich saß auf einem der Stühle im Freien, hatte einen weiteren Earl Grey in der Hand und genoss sein kräftiges Aroma. Der, den ich im Buchladen bekommen hatte, war wirklich ungenießbar gewesen. Ob Emily das mit Absicht gemacht hatte? Aber woher hätte sie wissen sollen, dass der Tee für mich gewesen war? Sie war nicht im Verkaufsraum gewesen, als ich ihn betreten hatte. Und von M. C. Lorenz gab es keine Bilder – soweit ich wusste. Was noch ein Grund dafür war, dass ich meine Signierstunden, wenn es denn welche geben musste, nur in kleinen Läden hielt, wo man Fotos verbieten konnte oder das Licht ohnehin zu schlecht dafür war.
Nein, Em konnte nicht gewusst haben, dass der Tee für mich gewesen war. Ich verscheuchte die Überlegungen wieder und versuchte mich stattdessen auf unser Date einzustellen. Verabredung! Es war kein Date. Doch das Wort hallte in meinem Kopf wider und ließ mich selig lächeln. Vielleicht, wenn ich sie davon überzeugen konnte, dass mich für mein Verschwinden damals keine Schuld traf … Vielleicht würde sie sich dann irgendwann doch auf ein Date mit mir einlassen. Mit mir als einem Mann, statt eines unreifen Jungen, der mit dem Kopf nur
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