Code Vision (Vereint) (German Edition)
Halluzinationen, ergo war ich nicht verrückt oder geisteskrank oder als was man mich noch so betitelt hatte. Ich konnte mich glücklich schätzen! Ja. Wenn da nicht dieses kleine Detail wäre, dass ich seit Jahren mit einem schwarzen, violett schimmernden Schatten zusammen lebte, der keineswegs nur Einbildung war.
„Oh Gott“, stöhnte ich. „Ich habe mich mit diesem Ding unterhalten!“
„Was?“ Em warf mir einen verwirrten Blick zu. Sie hatte sich von dem Schock scheinbar schon wieder erholt. In ihrem Gesicht konnte ich die Verbissenheit erkennen, die sich immer breit machte, wenn sie versuchte, ein scheinbar unlösbares Problem zu beheben.
„Ich habe es für eine Ausgeburt meiner Phantasie gehalten. Jedes Mal, wenn ich genervt war oder aufgeregt oder sonst irgendwas, ist es erschienen und ich habe mich … damit unterhalten!“
Okay, ich war doch verrückt – und geisteskrank! Emily lachte zaghaft, beschleunigte den Wagen nach einer Kurve noch etwas mehr und wir sausten die Straße entlang. Ich war sicher, dass sie viel zu schnell fuhr, aber das war mir nur recht. Ich wollte so schnell wie möglich von hier weg. Weg von dem Haus und weg von dem Schatten.
„Es hat mich nackt gesehen!“, platze es aus mir heraus. „Einmal ist es in meinem Bad erschienen. Kam einfach durch die Wand, als ich gerade unter der Dusche stand.“
Ein Blick in ihre Richtung zeigte mir, dass Em sich ein weiteres Lachen verkneifen musste. Eine feine Röte hatte sich auf ihre Wangen gelegt und sie biss sich grinsend auf die Unterlippe.
„Das ist nicht lustig!“
„Ein bisschen schon, gib es zu.“
Ich grummelte wortlos vor mich hin, entspannte mich aber auch allmählich wieder. Je weiter wir uns von meinem Haus entfernten, desto sicherer fühlte ich mich. Krampfhaft überlegte ich, ob ich diesen Schatten schon mal an einem anderen Ort gesehen hatte. Nein. Dieser spezielle war immer nur in meinem Haus aufgetaucht. Nicht mal im Garten hatte ich ihn je gesehen. Nur im Haus.
Während ich meinen Gedanken nachhing, merkte ich gar nicht, wie Emily den Wagen parkte. Erst als sie den Motor abstellte, tauchte ich wieder aus meinem Inneren auf und blinzelte mich zurück in die Realität. Stumm folgte ich ihr bis in die Wohnung. Sie ließ mir den Vortritt und als sie die Tür hinter sich geschlossen hatte, zog sie auch noch die kleine Sicherheitskette vor. Als wenn das etwas bringen würde, sollte dieses Etwas uns verfolgt haben.
„Okay“, sagte sie schließlich so sachlich wie möglich und ging ins Wohnzimmer. Sie warf ihre Tasche auf die Couch, drehte sich zu mir um und verschränkte die Arme vor der Brust. „Was war das für ein Wesen?“
Ich zuckte unbeholfen mit den Schultern. „Ich weiß nicht“, antwortete ich wahrheitsgemäß. „Aber … darf ich heute Nacht auf deiner Couch schlafen?“
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