Code Vision (Vereint) (German Edition)
mein Debüt und versuchte mich stattdessen auf die Straßen zu konzentrieren. Gerade noch rechtzeitig, denn in diesem Augenblick hielt der Bus an meiner Haltestelle.
„Entschuldigen Sie, Sir“, rief ich, als ich beim Aufstehen einem Mann auf die blankgeputzten Schuhe trat. Er brummte nur und rückte auf meinen Platz. In letzter Sekunde erreichte ich die Bustür, bevor sie sich hinter mir schloss. Ich atmete tief durch. Der Buchladen, in dem ich heute meine Signierstunde geben würde, lag nur wenige Meter entfernt. Ich konnte die hübsche Fassade schon erkennen – und das Plakat im Schaufenster, auf dem das Cover meines aktuellen Romans abgebildet war.
Spannend und erotisch , hallte es in meinem Kopf wider. Wie gut, dass Liz mich nicht zu einer Lesung zwang, sondern zum Signieren. Für den Fall, dass einer der Besucher fragte, warum ich nicht las, würde ich einfach eine Halsentzündung vortäuschen, egal wie selten solche Erkrankungen im Sommer vielleicht sein mochten.
Ich atmete noch einmal tief durch, dann schritt ich auf den Buchladen zu. Als die kleine Türglocke mich mit ihrem leisen Läuten willkommen hieß, schlug mir das Herz bereits bis zum Hals. Kurz sah ich mich um, erkannte meine Ecke und steuerte sofort auf den Holztisch zu. Meine Bücher standen noch in Kartons daneben. Natürlich. Wieso hätte Liz auch jemanden schicken sollen, der mich unterstützte?
Ich riss den ersten Karton auf und stapelte meine Bücher auf dem Tisch. Dabei achtete ich peinlich genau darauf, dass ein kleiner Schutzwall entstand, der mich von den Teenagern abtrennte.
„Dann sind Sie wohl Mr. Lorenz?“
Ich wirbelte herum. Ein stattlicher Mann im Pullunder stand vor mir, rückte seine Brille zurecht und streckte mir dann seine Hand entgegen.
„Ähm. Ja. Sozusagen“, stammelte ich. An das Pseudonym hatte ich mich immer noch nicht gewöhnt, aber mein richtiger Name hatte in der Welt der Bücher verloren, seit …
„Es freut mich, Ihre Bekanntschaft zu machen. Mein Name ist Mr. Duff. Ich leite diese Buchhandlung. Kann ich Ihnen noch irgendetwas Gutes tun?“
Duff … Der Name passte. Er spiegelte genau das wider, was ich im ersten Moment über diesen Mann gedacht hatte: doof. Nicht dumm, aber mit Sicherheit doof. Lange war mir kein Mensch mehr begegnet, der eine so offensichtlich falsche Freundlichkeit ausstrahlte. Trotzdem ergriff ich seine Hand, setzte ein freundliches Lächeln auf und nickte.
„Eine Tasse Tee wäre nicht schlecht. Earl Grey.“
„Sehr gerne.“ Er ließ meine Hand wieder los und wandte sich um. Kaum dass er sich einen Schritt von mir entfernt hatte, brüllte er so laut los, dass ich erschrocken zusammenzuckte.
„Miss McGallup! Bringen Sie noch einen Earl Grey mit! Vier Minuten!“
Das Herz wollte mir aus der Brust springen vor Schreck.
Emily
Bin ich jetzt zu seiner Sekretärin degradiert worden?
Ich hatte noch nicht einmal meine Kaffeetasse unter den stattlichen Vollautomaten stellen können und somit befand sich noch immer kein erlösendes Koffein in meinem Blutkreislauf.
„Ja, Mr. Duff. Kommt sofort. Also in vier Minuten natürlich“, kicherte ich wie ein kleines Schulmädchen und versuchte damit, meine schlechte Laune zu überspielen. Bestimmt war dieser Möchtegern-Autor schon eingetroffen und die Sonne drehte sich nun um seinen Planeten. Es war erstaunlich, dass sich mein Chef immer dann in eine kleine, schleimige Made verwandelte, wenn jemand Wichtiges in der Nähe war. Mich fragte er nie, ob ich etwas zu trinken haben wollte – geschweige denn ob ich früher Feierabend machen wollte.
Jetzt war erst einmal ich dran! Selbstsicher drückte ich auf die Taste mit der Aufschrift „Schwarz mit Milch“ und lauschte dem erlösenden Zischen der Kaffeemaschine. Als dann endlich die Mühle mit dem Mahlen fertig war, breitete sich augenblicklich ein starkes Aroma aus, was schon fast so gut war, wie das Heißgetränk selber. Endlich!
Sehnsüchtig nahm ich die Tasse entgegen und verbrannte mir sofort die Zunge daran. Es hieß nicht umsonst Heiß getränk. Nachdem ich endlich erfolgreich auf die „Heißes Wasser“-Taste gedrückt hatte, musste ich mit Entsetzen feststellen, dass sich im Fach für Earl-Grey-Tee keiner mehr befand. Sowohl mein Chef als auch ich tranken ausschließlich Kaffee, weshalb auch diese imposante Maschine angeschafft worden war.
„Für uns beide“, hatte er damals freundlich gesagt. Die Arbeitsaufteilung war allerdings klar geregelt: Während ich die Maschine
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