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Codename Azteke

Codename Azteke

Titel: Codename Azteke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bill Vidal
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in letzter Zeit nicht verspürt«, erwiderte Florin mit halb geschlossenen Augen. Sie lagen auf dem Bett und hatten die Klimaanlage ausgeschaltet. Das offene Fenster zum Garten und die halb zugezogenen Vorhänge waren ihnen wichtiger, selbst wenn die Hitze gelegentlich ungemütlich wurde.
    »Ich hoffe, das hält an«, meinte sie und küsste ihn auf die Wange. »Aber irgendwie bezweifle ich das.«
    »Ich meine es ernst. Alles, was ich will, ist hier. Ich habe mein Bestes gegeben.« Er lächelte. »Außerdem werde ich zu alt für die groben Sachen.«
    »Der Meinung bin ich auch.« Lucía piekste ihn in die Rippen. »Du bist auf jeden Fall zu alt. Ich muss unbedingt Fidel schreiben und es ihm sagen, damit er nicht auf dumme Ideen kommt.«
    Er konnte an seiner Brust spüren, wie sie lächelte.
    »Er hat mich nie um etwas gebeten, weißt du?«
    »Die ganze Zeit in Afrika, das war deine eigene Entscheidung?«
    »Ja.« Er wurde ernst, als er sich daran erinnerte. An Afrika konnte er nie ohne Schmerz denken. Doch er gab zu: »Hauptsächlich war es Ernestos Idee, aber er musste mich nicht lange überzeugen.«

    »Vermisst du ihn?« Sobald Lucía die Frage ausgesprochen hatte, bereute sie sie. Sie hatte Ché gemeint, hatte aber eine unverzeihliche Sekunde lang vergessen, dass nicht nur Guevara gestorben war.
    »Ich vermisse sie alle«, antwortete er, als er ihr Zögern bemerkte. »Jeden Tag.«
    »Es tut mir leid.« Sie legte einen Arm um seine Brust und sah zur Wiege hinüber. Vielleicht war das das Symbol für einen neuen Anfang.
    Ein ungleicheres Paar konnte man sich kaum vorstellen: Guevara war introvertiert und ernst, als trüge er ständig die Last der Welt auf seinen Schultern, während Florins überschwängliche, fröhliche Art ihn so aussehen ließ, als kenne er keine Sorgen.
    Elf Jahre waren seit dem Horror des Gulags vergangen, als Guevara und Florin mit dem Stoßtrupp aus Kuba in den Kongo zogen. Und weitere fünf Jahre waren es seit dem Tod von Ché 1967 in Bolivien. Und dennoch erinnerte sich Florin an jede Minute seiner Zeit in Afrika, als wäre es erst gestern geschehen.
     
    Sie lagen in einem Kreis, müde, verdreckt, doch zufrieden und trotz ihrer Verluste froh. Der Dschungel war so lebendig, wie es nur ein von der menschlichen Ignoranz unberührter tropischer Regenwald sein kann, und voller Geräusche, die Jesús und Ché so fremd waren wie die Bewohner der tausend Galaxien über dem afrikanischen Himmel. Dennoch waren es fröhliche Geräusche.
    Die jungen Männer, alle neunzehn Überlebenden, zeigten den paradoxen Gesichtsausdruck des afrikanischen Kindersoldaten, der gleichzeitig Dankbarkeit verspürt, dass
er es überlebt hat, Schmerz, dass sein Bruder es nicht geschafft hat, beides vergisst und erstaunt die Augen aufreißt, wenn er die Musik aus einem kleinen Transistorradio hört.
    Sie hatten Namen wie Bienheuré, Jean-Baptiste und Peregrin, Zeichen dafür, dass sie einst Untertanen von Belgien gewesen waren, auch wenn sich nie jemand die Mühe gemacht hatte, ihnen das zu sagen. Aber sie hatten gesehen, wie Laurent Kabila diese beiden weißen Männer umarmt und sie als treue Anhänger des ermordeten Patrice Lumumba bezeichnet hatte, also folgten sie ihnen und den anderen Kubanern ohne Vorbehalte in die Schlacht.
    Sie vertrauten so auf den Sieg an diesem Tag, dass sie es wagten, für die Nacht ein Lagerfeuer zu entzünden. Für die Jugendlichen aus dem Kongo waren die nächtlichen Gerüche des Dschungels Teil ihrer gottgegebenen Umgebung, aber für Jesús und Ché war es eine berauschende Erfahrung.
    »Du bist total verrückt, Jesús«, stellte Guevara halb im Scherz fest, legte seine Waffe hin und lehnte sich an einen Baum.
    »Aber wir haben doch gewonnen, oder, Mano ?«, fragte Jesús vor den Jungen herausfordernd und mit breitem Grinsen.
    »Reines Glück, Mann. Sie hätten uns fertig machen können.«
    »Das ist das Schlimme an euch Südländer-Feiglingen«, lachte Florin. »Kein Durchhaltevermögen!« Er griff sich in übertriebener Weise an die Eier, nickte in Richtung Guevara und fügte für die Jungen hinzu: » Il n’a pas les couilles .«
    Sie lachten alle und machten ihm die Geste nach.
    »Sie hätten uns alle abknallen können, du verdammter
Irrer!« Auch wenn Guevara Spanisch redete, konnten die Jungen doch mittlerweile in einem halben Dutzend Sprachen fluchen, und Flüche, besonders wütende Flüche, ließen sie immer mit offenem Mund dastehen.
    Sie waren eins zu drei in der Unterzahl

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