Codename Azteke
sollten, die auf diesem Land arbeiteten.
Sie kam wie der neue Präsident aus Valparaíso und hatte an der staatlichen Universität ihren Abschluss gemacht – Allende war Doktor, sie Rechtsanwältin –, und wie der Präsident hatte auch sie es bereits mit zweiunddreißig Jahren zu etwas gebracht.
»General Florin!« Sie streckte ihm die Hand hin. Als er auf sie zukam, unterhielt sie sich gerade mit ihrer Mitaktivistin Gladys Marin. Jesús Florins Anwesenheit in Chile als inoffizieller Gesandter von Castro war ein offenes Geheimnis.
Von dem Tag an, als Allende sein Amt antrat, war Florin Teil des Teams im Moneda-Palast gewesen, zum Entsetzen der geschlagenen Konservativen, die davor gewarnt hatten, dass Allende nach seiner Wahl Havanna und Moskau zum Tanz einladen würde.
»Ich bin Lucía Bamberg«, stellte sie sich vor, mit dem breiten Lächeln, das ihn bald so faszinieren sollte. Er bemerkte, dass ihre Augenfarbe die blasser Aquamarine war, und dass sich der Griff ihrer Hand fest und sicher anfühlte. Sobald er sie berührt hatte, wollte Jesús Florin sie nicht wieder loslassen.
»Werden Sie mich als Chauvinisten bezeichnen, Dr. Bamberg, wenn ich sage, dass Sie ein bezauberndes Lächeln haben?«
Sie ließ ein kristallenes Gelächter ertönen.
»Oh, das würde ich tatsächlich, General, wenn Sie Chilene wären. Aber Sie sind Mexikaner. Wir wissen, dass Sie nicht anders können.«
Sie unterhielten sich über Chile, die Zukunft und Allende, und ein wenig auch über sich selbst. Mehrmals wurden sie getrennt, weil irgendjemand meinte, sie oder ihn diesem oder jenem Führer vorstellen zu müssen, doch selbst dann suchten sie noch Blickkontakt und führten ihr Gespräch fort, sobald sie sich für eine Weile von ihren Verpflichtungen losreißen konnten.
Sie hatten sich verabredet, sich wiederzusehen, aber für Florin schien selbst ein Tag viel zu lang. Seine eigene Zeit verbrachte er meist in der Hauptstadt, während Lucías Kanzlei an der Küste lag, doch bald fanden sie Ausreden, um sich gegenseitig besuchen zu können. Allein zusammen ausgegangen waren sie zum ersten Mal in Valparaíso. Lucía hatte Florin in ihre Lieblingsgaststätte mitgenommen, das Mitarbeiterrestaurant über dem Rettungsschuppen, wo sie Fischsuppe aßen und zusahen, wie die Sonne hinter dem Pazifik unterging. Bald wurde es ihr Lieblingsplatz für den Abend während der schicksalhaft kurzen Zeit, die sie miteinander hatten.
Sie redeten über Politik und träumten von einer besseren Welt, waren aber beide realistisch genug, um einzusehen, dass es List, Entschlossenheit und mächtige Freunde brauchte, um auch nur das aufrechtzuerhalten, was man bislang geschafft hatte. Im Laufe der nächsten beiden Jahre vergrößerten sich die Botschaften der Sowjetunion und Kubas in Chile extrem. Normalerweise erwartete man zwei Dutzend Angestellte, wo Castro zweihundert hinschickte und die Nachbarländer so in Aufruhr versetzte, dass diese sich schließlich an Washington um Hilfe wandten. Dieselben Dominoregeln, die den Krieg in Vietnam gerechtfertigt hatten, wurden nun auf Lateinamerika ausgedehnt, und bald sollte ein schmutziger Wirtschaftskrieg beginnen.
Während der Allende-Zeit stellte Lucía weiterhin Volkskomitees auf und brachte Bauern dazu, sich Land anzueignen. Florins Arbeit war im Gegensatz dazu verdeckter Natur, und er baute langsam ein mächtiges Netz engagierter Agenten in ganz Chile auf, die auch in den umliegenden Regionen subversive Bewegungen unterstützen sollten.
Die Zeit war reif für eine Konfrontation, und das ökonomische Desaster, das teilweise aus Allendes rücksichtsloser marxistischer Doktrin resultierte, führte zu einer Kettenreaktion, die fast ein Jahrzehnt lang rechtsgerichtete Militärregimes auf dem ganzen Subkontinent an die Macht bringen sollte.
Doch 1970 konnten sich weder Jesús noch Lucía ein derartiges Ende vorstellen. Im darauffolgenden Sommer heirateten sie in einer kleinen privaten Zeremonie im Standesamt von Valparaíso und bauten ihr Haus in Viña del Mar.
»Schön, dass es ein Mädchen ist«, sagte Lucía, als sie an einem ruhigen Sonntagnachmittag in Florins Armen lag. Nur ein paar Meter weiter schlief María Luz in ihrer Wiege, während der Pazifik sanft am Garten und den Klippen vorüberrauschte, als wolle er diesen Frieden nicht stören.
»Ein Mädchen kann ich allein großziehen, wenn dich mal wieder der Drang überkommt, in fernen Ländern in den Krieg zu ziehen.«
»Diesen Drang habe ich
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