Codename Azteke
höflich. »Sie müssen Mercedes sein.«
Er war breitschultrig, untersetzt und vielleicht ein paar Jahre älter als Hadley, aber auf jeden Fall jünger, als seine graue Mähne vermuten ließ. Er hatte das wettergegerbte Gesicht eines Mannes, der viel Zeit im Freien verbrachte, und die kerzengerade Haltung von jemandem, dessen Lebensstil körperliche Fitness verlangte.
»Ich glaube, wir haben uns auf der Straße gesehen«, sagte Klejevic und lächelte verlegen.
»Ja.«
»Ich wollte Sie nicht erschrecken.«
»Schon gut.« Hadley winkte ihn zu einem Stuhl, und sie setzten sich.
»Ich habe nur nachgesehen«, entschuldigte sich Klejevic. »Jesús hat gesagt, dass ich für Sie verantwortlich bin, solange Sie hier sind.«
»Was haben Sie nachgesehen?«
»Ob Sie noch jemand beobachtet«, antwortete Klejevic beiläufig.
»Warum sollte uns denn jemand beobachten?«, wollte Hadley wissen.
»Anscheinend können die Leute es nicht lassen, ihre Nase
in die Angelegenheiten des Azteken zu stecken«, brummte Klejevic.
»Und, beobachtet uns jemand, Ivo?«, fragte Mercedes.
»Ich habe niemanden gesehen. Aber ich werde weiter Ausschau halten.«
»Kennen Sie Jesús Florin?«, fragte Hadley.
»Ich habe ihn einmal getroffen.« Klejevic schien stolz darauf zu sein. »Er war eng mit meinem Vater befreundet. Sie haben zusammen in Leningrad gekämpft.«
»Auch mit Mercer?« Antonio Mercers Name tauchte in den Notizen des Azteken ständig auf.
»O ja.« Klejevic strahlte. »Alle drei waren befreundet. General Mercer war oft hier. Kannten Sie ihn?«
Hadley schüttelte den Kopf. »Und? Wie geht es jetzt weiter?«, wollte er wissen.
»Morgen«, erklärte Klejevic, »werden meine Freunde und ich Sie abholen. Am Morgen, so gegen acht Uhr, wenn es Ihnen recht ist?« Er wartete, bis Hadley nickte, und fuhr dann fort: »Wir fahren ins Landesinnere.«
»Wohin geht es denn?«
»Zum Moraca-Canyon. Dort ist es sehr schön«, fügte er hinzu.
»Und warum fahren wir dorthin?«
»Das zeige ich Ihnen dann.«
»Ist es weit?«
»Nein. Sie werden es morgen sehen.« Klejevic blickte Mercedes an und dann wieder Hadley. »Es ist auf dem Land, und das Gelände ist uneben. Ziehen Sie bequeme Schuhe an.«
»Wir kommen schon klar«, versicherte ihm Mercedes.
Klejevic stand auf und schüttelte ihnen beiden die Hand.
»Es ist mir eine Ehre, mich um die Freunde des Azteken zu kümmern«, sagte er ernst und hoffte im Stillen, dass der Fisch den Köder schlucken würde.
16
Sie trafen sich im Licht der hellen Kronleuchter auf einem Empfang der mexikanischen Botschaft im November 1970 – dem Monat, in dem Salvador Allende in Chile das Präsidentenamt übernahm.
Seit Castros Sieg im Jahre 1959 war Kuba ein politischer Paria gewesen, abgeschnitten vom Rest des amerikanischen Kontinents. Als Florin im Frühjahr 1970 in Chile angekommen war, um die Linken in Wahlkampftaktiken zu beraten, waren es nur Mexiko und Kanada gewesen – ausgerechnet die nächsten Nachbarn der USA –, die sich dem panamerikanischen Boykott nicht angeschlossen hatten und diplomatische Beziehungen zum kommunistischen Kuba aufrechterhielten.
Daher war Florin als Mexikaner nach Chile gekommen und hatte große Geldsummen mitgebracht, um Allendes Wahlkampf zu unterstützen, und am Tag des Wahltriumphs genoss er den Sieg in der diplomatischen Gesandtschaft seines Heimatlandes in Santiago.
Auch Lucía war da und genoss den erhebenden Augenblick, den niemand für möglich gehalten hatte: die demokratische Wahl eines offen sozialistischen Regimes in Lateinamerika. Es war zwar niemand so naiv zu glauben, dass der Wahlkampf sauber und unanfechtbar abgelaufen
war, aber die Stimmen waren freiwillig abgegeben und ehrlich ausgezählt worden.
Später gab Florin zu, dass ihn Lucías Äußeres sofort angezogen hatte. Sie war groß gewachsen und verfügte über eine natürliche Präsenz, die sie aus jeder Menge hervorstechen ließ. Ihre tiefe Sonnenbräune hob sich von ihren kurzen hellen Haaren ab, die durch den Sommer, in dem sie den ländlichen Kommunen beigestanden und sie beraten hatte, von der Sonne zu einem natürlichen Blond gebleicht worden waren.
Sie war bereits eine bekannte politische Aktivistin und in Anwaltskreisen eine Cause célèbre. Unter der vorherigen Regierung war viel Land in Chile vom Staat enteignet und umverteilt worden, doch Lucía hatte Allende geholfen, einen Plan aufzustellen, mit dem alle produktiven Höfe mit über achtzig Hektar in die Hände derer gelangen
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