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Codename Hélène

Codename Hélène

Titel: Codename Hélène Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Juergs
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versucht es noch einmal am Tag darauf, aber auch dann trifft er sie nicht an. Nancy Wake hat sich, als hätte sie seinen Überfall geahnt, aus dem Staub gemacht, ist abgetaucht und hat sich, so wie einst in der Auvergne, versteckt vor dem Todfeind.
    Im übertragenen Sinn passt dieser irreale Vergleich vom Eintreffen des Gevatters Tod in der Hotelbar sogar zur Realität. Denn ab 2003 lebt sie in den Royal Star & Garter Homes , die man in Deutschland eine Seniorenresidenz nennen würde – eine vom Red Cross und dem britischen Königshaus getragene Stiftung, gegründet bereits 1916 während des Großen Kriegs für alle, die sich in dunklen Zeiten um König und Vaterland verdient gemacht haben. Weshalb regelmäßig zum traditionellen Gedenktag am Rememberance Day Queen Elizabeth oder andere Mitglieder des Königshauses den alt gewordenen Überlebenden die Ehre erweisen. Viele Helden können nicht mehr in Schlachtordnung stehend salutieren, sie sitzen, so wie SOE -Agentin Nancy Wake, in Reih und Glied in ihren Rollstühlen.
    Als der Tod sie findet, liegt sie mit einer Lungenentzündung im Bett. Sie ist jetzt 98 Jahre alt und an diesem 7 . August 2011 bereits zu schwach, um sich noch zu wehren.
    Also ergibt sie sich. Zum ersten Mal in ihrem Leben.
    Über die Eintragungen im virtuellen Kondolenzbuch hätte sie sich gefreut. Über die ganz persönlichen und die höchst politischen. »It was such a great honour to take care of you, Nancy« – es war eine große Ehre, sich um dich zu kümmern –, schreibt ihre Pflegerin Chris. »One of the bravest women this country ever had. All SOE agents were brave, but she was set apart from them«, rühmt ein anderer ihre Tapferkeit und ihre Ausnahmestellung unter den SOE -Agenten. Ein Satz könnte sogar als Bilanz des Lebens von Nancy Wake, geboren 1912 , gestorben 2011 , auf ihrem Grabstein stehen: »You gave your yesterdays, so we can be free tomorrow« – du gabst deine Vergangenheit, damit wir frei sein können in der Zukunft.
    Da es keinen Grabstein gibt, müsste die Danksagung in den Wind gesprochen werden. Denn Churchills Geheimagentin Hélène hat bestimmt, dass ihre Asche verstreut werden soll in Frankreich, dem Land, wo sie gegen die Gestapo kämpfte im Namen der Freiheit.
    Und ihr zum Sieg verhalf.

EPILOG
    D raußen tobt das Leben: Bauarbeiter, Handy-Banker, Autohupen. Drinnen wartet der Tod: St. Clement Danes Church, City of Westminster, London.
    Was nicht stimmt. Er war ja schon da. Kommt hier seit Jahrhunderten fast täglich vorbei. Hat die Frau, der heute gedacht werden wird, bereits im August 2011 umarmt und in die Ewigkeit geleitet. An diesem Vormittag, ein halbes Jahr danach, treffen sich ihr zu Ehren die Nachgeborenen aus den Familien Secret Service und Special Operations Executive und Royal Air Force und FANY . Alte Bekannte. Darunter viele sehr alte.
    Weil die nicht wissen können, ob man sich in diesem Leben je wiedersieht und wer von ihnen der Nächste ist, für den sie sich dann auf dieser Insel der Stille versammeln werden, reden sie über die Zeiten, denen sie entronnen sind, und darüber, wie es ihnen in den heutigen ergeht. Nicht immer gedämpft, was sich eigentlich in einer Kirche gehört. Doch manches Ohr ist längst außer Dienst. Aber das stört niemanden. Sie sind hier so gut wie zu Hause. St. Clement ist die Kirche der Royal Air Force, und bei der haben fast alle gedient, die eingeladen wurden zum Gedenkgottesdienst, »to celebrate the life of Nancy Wake, 30 th August 1912 – 7 th August 2011 « .
    Der beginnt in zwanzig Minuten. Pünktlich um elf Uhr. Darauf ist Verlass.
    Traditionsfahnen der RAF hängen schwerblütig oben in der Galerie. Im Steinboden des Mittelgangs sind Embleme aller achthundert Squadrons, Flugstaffeln, eingraviert. Die fürs Vaterland im Zweiten Weltkrieg gefallenen rund 125 0 00 Frauen und Männer sind in den Books of Rememberance , den Büchern der Erinnerung, gelagert in Schreinen an den Seitenflügeln der Kirche. Für eine mögliche Augenzeugenaussage dereinst vor dem Jüngsten Gericht sind da verzeichnet: Name, Dienstrang, Geburtsdatum, Todestag. Nichts und niemand ist vergessen.
    In klassischem britischen Understatement wird am Eingang die Geschichte von St. Clement in einem Satz knapp zusammengefasst: »Erbaut von Christopher Wren 1682 . Zerstört von Blitzen des Luftkriegs 1941 . Wiederaufgebaut durch die Royal Air Force 1958. « Die Orgel haben die Waffenbrüder von der U. S. Air Force aus den Vereinigten Staaten

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