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Codename Hélène

Codename Hélène

Titel: Codename Hélène Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Juergs
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frische Luft und gesunde Ernährung angewiesen, ein kleines Haus in der Nähe von Chester auf dem Land. Sie besitze nicht mehr als zweitausend Pfund, könne aber nicht alles für den Hauskauf ausgeben, weil sie, falls es ihr gefällt hier, einen Friseursalon eröffnen wolle, um für sich und die Kinder den Lebensunterhalt zu verdienen. Das sei ihr erlernter und vor der Ehe ausgeübter Beruf.
    Mit diesem Entrée hatte sie schon mal sicher das Mitgefühl derer, denen sie ihre Lügen auftischte. Sowohl im Westminster Hotel, wo sie sich einquartierte – was eine gute Wahl war, weil das im Einklang stand mit ihrer Legende und sie deshalb nicht weiter auffiel, wie Captain Walker in seiner Beurteilung notierte: »She was not conspicious as it was consistent with her cover« –, als auch an ihrem Zielobjekt, wo sie sich nach einer möglichen Arbeit erkundigte, bis es mit dem eigenen Laden klappen würde. So erzählte sie es auch in einer Maklerfirma dem zuständigen Agenten ganz anderer Art, den sie mit der Suche nach einem passenden Haus beauftragte.
    Mit einer Zehn-Pfund-Note als Wegzehrung, einem gefälschten Ausweis und einer geheimen SOE -Telefonnummer für etwaige Notfälle war sie in einer ihr fremden Umgebung ausgesetzt worden. Den anderen aus ihrer Gruppe erging es an unterschiedlichen Orten ähnlich wie ihr. Auch die mussten sich für die nächsten 96 Stunden ein neues Leben ausdenken, eine eigene Biografie erfinden. Sie sollten sich fühlen und dementsprechend benehmen wie britische Geheimagenten in einer von ihren Feinden eroberten Heimat England. Die Aufgaben: Objekte für Sabotageakte ausspionieren, dabei aber nicht der örtlichen Polizei auffallen – die selbstverständlich nicht informiert worden war, dass es sich in Wahrheit um eine offizielle Aktion handelte –, vor Ort versuchen, Widerstand gegen die Besatzer zu organisieren. Da dies in einer vorgeblich feindlichen Umgebung passierte, sollten sie vor allem darauf achten, ob sie überwacht wurden.
    Die Verfolger entdeckt Nancy Wake schon nach wenigen Stunden. Ihre Erfahrung im Netzwerk O’Leary ist hilfreich. Es sind Profis von der Special Operations Executive , aber sie ist denen einen Schritt voraus. »She had the impression (rightly) that she was frequently followed« – sie hatte (zu Recht) den Eindruck, dass sie häufig verfolgt wurde –, aber es sei ihr gelungen, den Verfolger innerhalb kurzer Zeit abzuschütteln. Den toten Briefkasten, der in einem echten Agentenleben eine wichtige Rolle spielen könnte, meidet sie. Denn sie vermutet – und wie sich herausstellen wird: zu Recht –, dass der unter Beobachtung der »Feinde« steht. Sie wählt für ihre geheime Botschaft, was sie ähnlich als Kurierin oft gemacht hat, einen anderen Übergabeplatz. Sitzt erst erschöpft scheinbar sich ausruhend auf einer Parkbank, weil sie von dort aus unauffällig ihre Umgebung auf verdächtige Personen hin absuchen kann. Die Nachricht, die sie loswerden will, gibt sie mit ein wenig Trinkgeld einem Taxichauffeur und bittet ihn, den Brief für sie einzuwerfen.
    Dass sie im Hotel unangemeldeten Besuch bekommen hat, während sie sich um Arbeit bewarb, merkt sie daran, dass der kleine Faden zerrissen ist, den sie am Scharnier der Zimmertür befestigt hat. Auch diese Vorsichtsmaßnahme wird gelobt. Ein Verhör durch einen Polizisten, der den Tipp bekommen hat, eine verdächtige Person sei dem Hotelpersonal aufgefallen, wobei der Tippgeber selbstverständlich bei SOE fest angestellt war, übersteht sie ohne Probleme. Was ebenfalls wohlwollend vermerkt wird. Denn der Constable ahnte ja nicht, dass dies alles bogus war, fake , ein Test. Er ging tatsächlich davon aus, womöglich einer feindlichen Ausländerin auf der Spur zu sein. Einer deutschen Agentin. Entsprechend insistierend, führte er das Verhör. Ohne Ergebnis, wie er berichten musste. Schien sich letztlich wohl doch um einen falschen Verdacht gehandelt zu haben. Fazit von Captain »Nobby« Walker nach den 96 Stunden: Mrs. Williams (alias Nancy Wake) habe sowohl bei ihrem Kontakt als auch bei der Polizei, die anschließend aufgeklärt wurde, einen tiefen Eindruck hinterlassen. Ihre Reaktionen auf das Polizeiverhör seien bewundernswert gewesen und ihre Vorsichtsmaßnahmen alle gut.
    Was die Deutschen mit Verdächtigen so alles anstellen, wissen die Ausbilder von Special Operations Executive. Sie haben die Methoden der Gestapo studiert, und durch Berichte derer, die unter der Folter nicht zusammengebrochen

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