Codename Merlin - 3
die geschicktesten Captains können einen Sturm nicht überstehen, indem sie ihn einfach ignorieren. Ich bin mir sicher, wir alle würden es vorziehen, diesen Sturm in irgendeiner Weise besänftigen zu können, aber wir leben nun einmal in genau diesen Zeiten, und wir können nur um Gottes Beistand beten, angesichts dieser Herausforderungen, vor die uns die Welt hier stellt, die bestmöglichen Entscheidungen zu treffen.
Derzeit befinden wir uns, wie Sie alle sehr wohl wissen, rein formal immer noch im Kriegszustand mit Charis. Bedauerlicherweise wurde dieser Krieg nicht zu unseren Gunsten entschieden. Und ich vermute, es wird niemanden von Ihnen überraschen zu erfahren, dass die Entscheidung, in diesen Krieg einzutreten, niemals von Uns alleine ausgegangen ist.«
Mehrere Ratgeber, darunter auch Sharleyans Onkel, rutschten unruhig in ihrem Sessel hin und her, und zwei oder drei Augenpaare blickten kurz zu Pater Carlsyn hinüber. Der Priester hingegen saß ruhig dort, die gefalteten Hände hatte er vor sich auf den Tisch gelegt; den Kopf ein wenig zur Seite geneigt lauschte er der Königin und schaute sie aus hellen, wachsamen Augen an.
»Um ehrlich zu sein«, sprach die Regentin weiter, »hat Chisholm dem Bündnis mit dem Corisande-Bund und dem Fürstentum Emerald auch nur auf das … unablässige Drängen seitens des Kanzlers der Ritter der Tempel-Lande ›zugestimmt‹. Die Ritter haben von uns verlangt, Prinz Hektor gegen Haarahld von Charis beizustehen, und das aus Gründen, die besagten Rittern gewiss einleuchtend erschienen sein müssen, die aber − wir sollten hier auch uns selbst gegenüber ganz offen und ehrlich sein, Meine Lords − nie wirklich schlüssig oder auch nur überzeugend waren, geschweige denn im Interesse von Chisholm. Wir selbst hatten keinerlei Grund für eine Feindschaft mit Charis, und wir hatten zahlreiche Gründe, unserem ›Verbündeten‹ Hektor voller Misstrauen und Vorsicht gegenüberzustehen.
Dennoch haben wir Kanzler Trynairs Drängen nachgegeben, als Erzbischof Zherohm seine Nachricht im Auftrag der Ritter der Tempel-Lande überbrachte.« Ihr Onkel, das entging Sharleyan nicht, verzog sichtlich die Miene, als sie hier mehrmals hintereinander den Begriff ›Ritter der Tempel-Lande‹ wiederholte. Es wäre ihr lieber gewesen, wenn sie das überrascht hätte. »Dafür gab es gleich mehrere Gründe, aber − wir wollen erneut ehrlich sein − der Hauptgrund dafür war Furcht. Die Furcht vor dem, was die Ritter Chisholm antun konnten, falls wir das ablehnten, was sie von uns in dieser Lage ›erbaten‹.«
Sie hielt inne, und ihr Lächeln war so eisig, dass jeder der in diesem Ratssaal Anwesenden eigentlich hätte auf der Stelle erfrieren müssen. Als das Wort ›Furcht‹ fiel, spannte sich die Miene ihres Onkels sichtlich, und der Gesichtsausdruck des einen oder anderen Ratgebers wurde steinern.
Na, das kommt ja nun auch nicht gerade überraschend, herrschte sie sich selbst innerlich an.
Sie war sich auch der immensen Anspannung in ihrem eigenen Inneren bewusst. Dieses Gefühl kannte sie schon − es war das untrügliche Zeichen, dass sie hier wirklich auf Messers Schneide wandelte. Jeder Monarch muss dieses Gefühl kennen, muss es zumindest gelegentlich erlebt haben, dachte sie. Es hatte schon andere Augenblicke in ihrem Leben gegeben, in dem sie es so deutlich gespürt hatte − etwa, als sie das Todesurteil des Herzogs Three Hill unterzeichnete. Damals hatte sie ihre Entscheidung gefällt und sich dann in ihre Privatgemächer zurückgezogen. Und dort hatte sie sich dann erbrochen. Doch derartige Situationen hatten sich vor allem in den ersten beiden Jahren nach ihrer Thronbesteigung ergeben. Jetzt war dieses Gefühl etwas, was Sharleyan regelrecht willkommen hieß. Es war der Beweis dafür, dass sie wirklich ihre Aufgabe erfüllte, dass sie bereit war, sich allen Herausforderungen zu stellen, die die Welt für sie bereithalten mochte. Und sie gestand sich auch ein, dass es fast schon etwas Suchterzeugendes hatte − das Gefühl selbst und auch die nur auf diese harte Art und Weise zu gewinnende Erkenntnis, dass sie gut war in der Aufgabe, die ihr aufgrund ihrer Geburt zufiel. Die Erkenntnis, dass die Dinge, mit denen sie sich befasste, mit denen sie gelegentlich auch rang, wirklich bedeutsam waren. Dass sie dabei alles richtig machen musste, wenn sie auch weiterhin in der Lage sein wollte, dem Geist ihres Vaters in die Augen zu blicken, ohne sich schämen zu müssen. Es war
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